Am 4. März 2018 stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Initiative für die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren alias „No Billag“ ab. Bei einem JA würden die neuen Bestimmungen ab dem 1. Januar 2019 in Kraft treten.
Die Billag-Gebühren machen heute für viele Menschen keinen Sinn mehr. Viele haben das Gefühl, die SRG erhalte zuviel Geld aus dem Gebührentopf. Ausserdem sind viele der Meinung, dass Radio- und Fernsehgebühren in der digitalisierten Medienwelt ein alter Zopf sind. Auch die Tatsache, dass die Gebühren pro Kopf gleich sind und nicht dem Einkommen angepasst sind, ist für viele störend. Definitiv besteht Handlungsbedarf. Es wird auch gehandelt: Bundesrat und Parlament arbeiten an einer Reform der Mediengesetzgebung. Eine Annahme der No-Billag-Initiative würde jedoch jegliche Reformen verhindern. Stattdessen stände die Schweiz vor einem Scherbenhaufen, der nicht mehr gekittet werden kann und gravierende Folgen für die Demokratie hätte.
Hier die wichtigsten Fakten, warum die Stimmbevölkerung NEIN zur No-Billag-Initiative sagen sollte:
Der Service Public steht für unabhängiges Medienschaffen
9 nicht-kommerzielle Radios (UNIKOM), 12 kommerzielle Lokalradios, 13 Lokalfernsehsender sowie sämtliche Radio- und Fernsehkanäle der SRG erhalten heute Anteile der Radio- und Fernsehgebühren. Sie erfüllen dafür sogenannte Service Public Leistungen: sie übernehmen die journalistische Berichterstattung über lokale, nationale und internationale Ereignisse und informieren so einen grossen Teil der Bevölkerung in den vier Landessprachen. Sie berichten unabhängig. Die zuständige staatliche Behörde BAKOM nimmt keinen Einfluss auf die Inhalte, kontrolliert jedoch regelmässig die Qualität. Ohne Gebührenanteile müssten die betroffenen Medien den Betrieb massiv einschränken oder ganz einstellen.
Die Medienlandschaft wird nicht nur von wenigen Investoren kontrolliert
Zum unabhängigen journalistischen Schaffen gehört, dass die Medienschaffenden nicht auf die Interessen von Investoren Rücksicht nehmen müssen. Neben den gebührenfinanzierten Medien gibt es nur noch wenige Schweizer Medien, die nicht von grossen Geldgebern abhängig sind, also von grossen Konzernen oder reichen Einzelpersonen kontrolliert werden. Fast alle grösseren Medien gehören heute zu den Grosskonzernen Tamedia, Ringier und NZZ. Weitere grosse Verlage sind die AZ-Medien, die BaZ-Holding und die anderen Verlage, die von Christoph Blocher kontrolliert werden, sowie die somedia, die im Moment eine engere Kooperation mit den Blocher-Medien prüft. Diese sechs Verlage kontrollieren praktisch die ganze Medienlandschaft der Schweiz und würden nach der Abschaffung der Gebühren noch mächtiger. Es gibt zwar einige unabhängige Ausnahmen, jedoch nur mit sehr kleinen Auflagen und Reichweiten, wie die WOZ und einzelne reine Online-Portale.
Vielfalt verhindert den Einheitsbrei
Viele gebührenfinanzierte Medien, wie die UNIKOM-Medien und die meisten SRG-Kanäle, bieten alternativer und junger Kultur eine wichtige Plattform. Sie spielen zum Beispiel Musik, die in kommerziellen Medien erst gespielt wird, wenn sie bereits bekannt ist. Sie helfen Newcomers, ihre Bekanntheit zu vergrössern, oft auch über deren Social Media Blase hinaus. Viele Talente sind nur deshalb bekannt geworden, weil sie zuerst von experimentierfreudigen Radiosendern gespielt wurden. Nach der Abschaffung von gebührenfinanzierten Kulturprogrammen werden die verbliebenen kommerziellen Medien nur noch auf Nummer sicher gehen. Sie spielen dann eher britische oder amerikanische Charthits, als die Musik von lokalen MusikerInnen. Das hätte zur Folge, dass der oft beschworene Einheitsbrei zunimmt.
Demokratische Meinungsbildung statt PR und Werbung
Weil die gebührenfinanzierten Medien nicht oder nur zu einem Teil auf Werbung angewiesen sind, können sie kritischer sowohl über Politik als auch über die Wirtschaft berichten. Parteien, Verbände und grosse Unternehmungen können den Medien nicht Bedingungen diktieren. Unabhängige Medienschaffende können politische Kampagnen oder PR-Aktionen der Wirtschaft kritisch durchleuchten und hinterfragen. Wohlhabende politische und wirtschaftliche Interessensvertreter können sich mit viel Geld viel Raum in den Medien kaufen. Unternehmen können von PR-Spezialisten vorgefertigte Medienbeiträge produzieren lassen und diese in Medien platzieren. Politische Gruppierungen und Verbände mit wenig Geld können da nicht mithalten. Gebührenfinanzierte Medien bemühen sich, allen politischen Richtungen und auch weniger finanzkräftigen Organisationen eine Stimme zu geben. Ohne sie würden diese Stimmen noch mehr an Gewicht verlieren. Die demokratische Entscheidfindung würde erschwert, weil bestimmte Argumente aus bestimmten Kreisen alle anderen übertönen.
Diversität kommt vor Einschaltquote
Gebührenfinanzierte Medien geben Minderheiten eine Stimme. Die SRG sendet in allen vier Schweizer Sprachregionen. Regionalsender geben der lokalen Kultur einen Platz. Bei den UNIKOM-Radios dürfen sprachliche und andere Minderheiten eigene Sendungen machen und sie bieten der Nischenkultur einen Platz über ihre Nische hinaus zu senden. Neben Lokalkultur wird auch der lokalen Politik eine wichtige Plattform geboten. Gebührenfinanzierte Medien übertragen regelmässig lokale Wahlen und berichten vertieft über regionale Abstimmungen, unabhängig davon, ob damit hohe Einschaltquoten erreicht werden. Wenn es nur noch rein kommerzielle Medien gibt, spielen Einschaltquoten eine immer wichtigere Rolle. Das Streben nach hohen Einschaltquoten verhindert, dass gewisse Stimmen dann überhaupt noch einen ausgewogenen Platz erhalten. Es braucht dann mehr Skandale oder andere Mittel der Aufmerksamkeitssteigerung, um überhaupt noch gehört zu werden. Ähnlich wie in anderen Branchen (Landwirtschaft oder Kultur) wäre eine reine Marktfinanzierung der bestehenden gebührenfinanzierten Medien illusorisch.
Medien übernehmen Verantwortung gegenüber den Konsumierenden
Dank Radio- und Fernsehgebühren investieren Medien in eine hohe journalistische Qualität. Qualitätsmedien halten sich an einen Berufskodex, der die Medienschaffenden verpflichtet, Meldungen zu verifizieren, indem sie Fakten mit mehreren Quellen belegen. Ohne Gebührengelder nimmt die Professionalisierung ab, weil es dann in der Schweiz noch weniger Medienschaffende gibt, die von ihrem Beruf leben können. Wenn es weniger Medienschaffende gibt, die einen Berufskodex unterschrieben haben, wird es leichter, Falschmeldungen zu verbreiten oder vorgefertigte Berichte von PR-Agenturen als journalistische Werke zu verkaufen. Unabhängige Beschwerdeinstanzen, die im Moment bei gebührenfinanzierten Medien Pflicht sind, verschwinden bei der Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren. Sie sind dann gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben. Menschen, die sich von Medien als ungerecht behandelt fühlen, müssen dann kostspielige juristische Verfahren einleiten, wenn sie sich wehren wollen, statt sich mit einer einfachen Beschwerde zu Wort zu melden.
Dank Gebührengelder ein reichhaltiges Programm ohne Zusatzkosten
Gebührenfinanzierte Medien, insbesondere die SRG, investiert viel Geld in Bereiche, die nur schwer mit Werbung alleine finanziert werden kann, wie zum Beispiel in spezielle Sportübertragungen oder in die Produktion von aufwändigen Filmen und Serien. Viele Filme, Fernsehserien und Sportübertragungen können ohne Gebührenanteile nur noch gegen Bezahlung durch die Konsumierenden finanziert werden: PayTV. Das so erwirtschaftete Geld fliesst nicht zurück in den Sport oder die Kultur, sondern in die Taschen einiger Investoren, meistens in anderen Ländern wie den USA (UPC Liberty Global, Netflix, Facebook, Google, Amazon,…). Ausserdem können internationale Konzerne vermehrt auch das Verhalten der Konsumierenden kontrollieren, indem sie die Daten des Bezahlverhaltens analysieren. Auch hier fehlt die Kontrolle, weil die Konzerne meist in anderen Ländern ihren Sitz haben und es schwierig wird, juristisch gegen sie vorzugehen.
Die Radio- und Fernsehgebühren fördern die lokale Wirtschaft
Rund 7000 Menschen arbeiten heute bei gebührenfinanzierten Medien. Zusätzlich profitieren viele Unternehmungen – grosse und KMU – von den Leistungen, die sie an gebührenfinanzierte Medien verkaufen können, z.B. Grafiker, Kameraleute, Technikerinnen, Gastro- oder Transportunternehmungen. Auch hier wären mehrere Tausend Menschen betroffen. Wenn die Gebühren abgeschafft werden, würden folglich über 10’000 Menschen auf einen Schlag arbeitslos. Insbesondere für ältere Arbeitnehmende dürfte es schwierig werden, wieder einen Job zu finden. Die Zerstörung einer ganzen Branche innerhalb weniger Monate dürfte die sozialen Kassen enorm belasten. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor verschwände auf einen Schlag, was auch für viele KMU den Untergang bedeuten würde.
Die Annahme der No-Billag-Initiative verhindert Reformen
Es geht bei der Abstimmung nicht um die Billag – also um ein Inkassobüro, dem der Auftrag für die Erhebung der Empfangsgebühren sowieso bereits entzogen wurde – sondern um einen grossen Angriff von rechten ultraliberalen Kreisen auf die Medienvielfalt und die Medienfreiheit in der Schweiz. Dieser Angriff erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Medienbranche sowieso schon stark am Verändern ist. Die Art und Weise, wie die Radio- und Fernsehgebühren eingetrieben und an wen sie ausbezahlt werden, wird von der Politik im Moment heiss diskutiert. Ein neues Mediengesetz ist in Planung. Reformen finden statt. Die Annahme der sogenannten No-Billag-Initiative würde auf einen Schlag etwas vernichten, was später kaum mehr neuaufgebaut werden könnte. Es würden mehr Missstände auf einen Schlag geschaffen, statt dass Missstände mit der geplanten Reform behoben werden könnten.
Auch RaBe und die Region Bern wären betroffen
Bei RaBe machen die Gebührengelder ungefähr zwei Drittel des gesamten Budgets aus. Nach einer Annahme der No-Billag-Initiative durch das Stimmvolk, erhielte RaBe keine Gebührenanteile mehr. Ohne Gebührengelder müsste RaBe den Betrieb einstellen oder massiv runterfahren. Zudem müssten – laut Initiativtext – die Konzessionen neu versteigert werden. Möglicherweise ginge RaBe leer aus und hätte dann keine Konzession mehr, um weiter zu senden. In der Stadt Bern würde das bedeuten, dass es kein unabhängiges Medium mit tagesaktueller Berichterstattung mehr gäbe. Alle anderen tagesaktuellen Berner Medien gehören zu grossen nationalen Konzernen. Einige dieser Konzerne haben angekündigt, in den nächsten Jahren Kürzungen bei der journalistischen Arbeit vorzunehmen.
Die Region Bern wäre von der No-Billag-Initiative besonders betroffen. Neben der Tatsache, dass Bern ein wichtiger Standort der SRG ist, wird die Medienvielfalt auch durch die gebührenfinanzierten Lokalsender BeO, neo1, Canal 3 und Telebärn garantiert.
Eine Sammlung von Hintergrundbeiträgen zur No-Billag-Abstimmung – aus der Sicht von RaBe – gibt es unter www.nonobillag.ch.