Mit einer Volksmotion oder einem Volkspostulat sollen Menschen ohne Schweizer Pass im Kanton Bern mehr politische Möglichkeiten erhalten. Ein Grenzwächter steht ab heute vor Gericht, weil das Grenzwachtkorps einer syrischen Geflüchteten medizinische Hilfe verweigerte und sie danach eine Fehlgeburt erlitt. Auch Menschen mit Behinderungen werden unter den Sparmassnahmen des Kantons Bern leiden.
Eine Volksmotion und ein Volkspostulat für Menschen ohne Schweizer Pass
Menschen ab 14 Jahren jeglicher Herkunft mit Wohnsitz in Bern sollen in Zukunft über eine Volksmotion oder ein Volkspostulat Einfluss nehmen können auf die kantonale Politik. Dieser Vorstoss stammt von Simone Machado von der Grün-alternativen Partei. Eine Motion beauftragt die Regierung, in einer bestimmten Frage tätig zu werden; auf ein Postulat muss die Regierung prüfen, ob in einer bestimmten Frage ein Gesetz oder eine Massnahme von Nöten ist. Diese beiden politischen Instrumente sind bis anhin Parlamentsmitgliedern vorenthalten. Eine Öffnung für die Gesellschaft würde mehr demokratische Mitbestimmung für alle bedeuten, wie Simone Machado gegenüber RaBe erklärt.
Prozess gegen Grenzwächter wegen Unterlassung medizinischer Hilfe
Die Vorwürfe wiegen schwer, gegen den Teamchef und ranghöchsten, verantwortlichen Grenzwächter. Angeklagt ist er unter anderem wegen Tötung, fahrlässiger Tötung, versuchter Tötung, versuchter schwerer Körperverletzung, wegen Unterlassung von Nothilfe und mehrfacher Nichtbefolgung von Dienstvorschriften.
Blicken wir zurück: Vor 3 Jahren, im Sommer 2014 wollte eine Gruppe syrischer Flüchtlinge mit dem Nachtzug die Schweiz durchqueren. Unter ihnen eine 22-jährige hochschwangere Frau. An der französischen Grenze wurde die Gruppe angehalten und dem Schweizerischen Grenzwachtcorps übergeben, um sie nach Italien zurückzuschaffen – weil gemäss Dublin-Vertrag eben Italien zuständig ist.
Bis der nächste Zug fuhr, wurden die Flüchtlinge auf dem Posten in Brig untergebracht. Auf dem Weg dorthin erlitt die Frau einen Blasensprung, dann setzten die Eröffnungswehen ein – die Frau hatte grosse Schmerzen. Laut Anklageschrift, die RaBe vorliegt, bat der Ehemann den verantwortlichen Grenzwächter mehrmals eindringlich um medizinische Hilfe. Dieser verweigerte die Hilfe jedoch, ohne selber auch nur einen Blick auf die Frau geworfen zu haben.
Stattdessen soll er dem Ehemann gesagt haben, er sei selber Schuld, wenn er das Risiko eingehe, mit einer schwangeren Frau von Italien nach Frankreich zu reisen.
Als die Flüchtlinge schliesslich den Zug nach Italien besteigen sollten, war die Frau nicht mehr im Stande alleine zu gehen. Sie musste getragen werden. Trotzdem verweigerte der verantwortliche Grenzwächter weiterhin jegliche medizinische Hilfe. Stattdessen rief er die italienischen Kollegen an, und teilte ihnen mit, dass sich eine schwangere Frau mit gesundheitlichen Problemen im Zug nach Domodossola befinde. Danach beendete er laut Anklageschrift seinen Dienst und verliess den Grenzwachtposten.
Nach der Ankunft in Domodossola wurde die 22-jährige Syrerin umgehend ins Spital gebracht. Dort brachte sie durch eine Spontangeburt das tote Kind zur Welt.
Ab heute muss sich der ranghöchste, verantwortliche Schweizer Grenzwächter vor dem Militärgericht in Bern verantworten. Die Urteilseröffnung ist für Freitag geplant.
Sparpaket gegen Menschen mit Behinderung
Die geplanten Sparmassnahmen des Kantons Bern treffen auch die Institutionen, die sich um Menschen mit Behinderungen kümmern, zum Beispiel: das Heilpädagogische Schulheim Weissenheim in Bern. Aktuell koste der Heim-Betrieb rund 3,5 Millionen Franken jährlich. Falls das Berner Kantonsparlament dem Sparpaket zustimmt, muss das Weissenheim ab nächstem Jahr 44’000 Franken einsparen. 40-50 Stellenprozente von derzeit insgesamt 900 würden zukünftig wegfallen, sagt Stefan Locher, Leiter des Weissenheims, gegenüber RaBe.