Heute stellen wir die neue Wohnstrategie des Gemeinderats vor, berichten über den massiven Artenverlust in der Schweiz und auf der ganzen Welt und über «Voguing» beim Festival Tanz in Bern.
Neue städtische Wohnstrategie
Gleich drei der fünf Gemeinderatsmitglieder traten gestern vor die Medien. Wenn die Stadt so weiterwächst wie in der Stadtentwicklungsstrategie (STEK 2016) geplant, dann braucht sie dringend eine Wohnstrategie. Im Moment herrscht in der Stadt Bern Wohnungsnot. Insbesondere Menschen mit kleinem Einkommen und Familien können sich Wohnraum in der Stadt Bern kaum mehr leisten, die Mietpreise sind am Explodieren:
Das Problem ist, dass die Stadt Bern seit 2000 wieder gewachsen ist, nachdem sie jahrzehntelang am Schrumpfen war. Das Angebot an Wohnungen ist in der gleichen Zeit jedoch nicht grösser geworden:
Mit der Wohnstrategie wolle die Stadt Bern bei den eigenen Liegenschaften dafür sorgen, dass diese grösser würden, um mehr Raum für Familien zu bieten, sagt Sozialdirektorin Franziska Teuscher gegenüber RaBe. Eventuell werde auch etwas dazu gekauft, sagt Finanzdirektor Michael Aebersold, denn die Stadt besitze nur rund 2’000 der rund 77’000 Wohnungen in der Stadt Bern. Im Vordergrund stehe jedoch, das Angebot zu verbessern, wenn bestehende Wohnungen erneuert würden.
Damit die Stadt nicht selber Spekulantin wird, will sie dafür sorgen, dass möglichst viele Wohnungen in Kostenmiete abgegeben werden. Kostenmiete bedeutet, dass kein Gewinn erzielt werden muss. Stadtpräsident Alec von Graffenried will aber auch Private in die Pflicht nehmen: Wohnbaugenossenschaften sollen ebenfalls vermehrt Wohnungen in Kostenmiete anbieten. Falls das Bundesgericht die Wohninitiative, die vom Volk angenommen wurde, für gültig erklärt, würde dies bedeuten, dass alle Anbietenden dazu gezwungen werden, bei Neubauten einen Drittel gemeinnützigen Wohnraum anzubieten.
Bestand der Wirbeltiere um 60% reduziert
Wegen Verlust von Lebensraum, illegaler Jagd, Überfischung und nicht nachhaltiger Landwirtschaft gibt es immer weniger Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische auf der Welt, das berichtet der WWF im heute veröffentlichten Living Planet Report. In den letzten 50 Jahren sei der Bestand der Wirbeltiere um 60% zurückgegangen, dabei sei die Schweiz keine Ausnahme, was den Erhalt von Natur und Biodiversität angehe, wie Geschäftsführer Thomas Vellacott gegenüber RaBe erklärt. Der Anteil bedrohter Arten sei in der Schweiz sogar weltweit der höchste, insgesamt 255 Arten seien hierzulande bereits ausgestorben. Weniger Foodwaste, weniger tierliche Produkte, weniger Konsum, es gäbe viele Möglichkeiten, wie wir auch im Alltag Sorge tragen könnten zu unserer Erde, sagt Vellacott.
Auch international sei die Situation prekär: Die Zahl der Süsswasser-Tiere sei um 83 % zurückgegangen, 20 % des Amazonasgebiets seien verschwunden und in den letzten 30 Jahren habe die Erde etwa die Hälfte ihrer Korallen verloren.
Der WWF ruft nun die globale Gemeinschaft auf, sich zu einem Abkommen für Natur und Menschen zusammenzuschliessen. Durch einen «Global Deal for Nature» lasse sich der Trend zum Verlust der biologischen Vielfalt umkehren. 2020 sei dafür ein entscheidendes Jahr, denn dann würden die Staats- und Regierungschefs die Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG), dem Übereinkommen von Paris (UNFCCC) und dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) überprüfen.
Voguing bei Tanz in Bern
Lieben tun wir alle, wenn auch nicht alle das Gleiche: Es gibt die Liebe zur Familie, amouröse Liebe, Tierliebe, Geschwisterliebe, Polyamorie, die Ehe, Liebe ausserhalb von Grenzen und Normen. Das Festival Tanz in Bern interessiert sich bei seiner diesjährigen 10. Ausgabe in erster Linie für die verbotene Liebe und zeigt insgesamt 11 Produktionen, welche Aspekte dieser Thematik verhandeln.
Eröffnet wurde das Festival mit dem Stück «Antigone – twenty Looks or Paris is Burning at the Judson Church» des amerikanischen Choreographen und Tänzers Trajal Harrell. Darin verarbeitet Harrell die griechische Tragödie der Antigone. Diese findet den Tod, weil sie ihren geliebten Bruder Polyneikes bestattet, obwohl dies von König Kreon untersagt worden war.
In ihrer Performnace verknüpfen Harrell und drei weitere Tänzer die Geschehnisse rund um Antigone mit modernem Tanz und Voguing. Letzteres stammt unsprünglich aus der New Yorker «Ballroom Culture». In den 1960er-Jahren begannen schwule Männer und Transgender-Menschen mit mehrheitlich afro- oder lateinamerikanischem Hintergrund im Stadtteil Harlem Bälle zu veranstalten. Bei diesen Bällen messen sich verschiedene Gruppen, sogenannte Häuser, in unterschiedlichen Kategorien. Die Teilnehmenden schreiten dabei über einen Laufsteg, wobei eine Jury Auftritt, Haltung und Kostüme bewertet. Die Wettbewerbs-Kategorien sind sehr fantasievoll und vielfältig, denn schliesslich geht es nebst dem Gewinnen ja vor allem auch darum, in einem geschützten Rahmen die eigene Identität ausleben und ausloten zu können. Entsprechend waren und sind diese Bälle denn auch wichtige soziale Zusammenkünfte für LGBT-Community.
Voguing ist eine der Disziplinen im Ballroom-Wettbewerb, wobei sich der Name auf das Modemagazin Vogue bezieht. Entsprechend geht es in dieser Kategorie darum, Mode-Posen nachzuahmen, wie man sie von Laufstegen kennt. 1990 fand Voguing dank Madonnas Song Vogue den Weg aus der Subkultur in den Mainstream. Es sei ein gängiger Prozess, dass sich die Welt des Pop bei Subkulturen bediene, sagt Trajal Harrell. Allerdings sei es immer auch zweischneidig, wenn einflussreiche Menschen mit Macht und grossem Netzwerk eine Subkultur-Ästhetik für sich adaptierten. «Madonna hat damit viel Geld verdient, Geld, das die Leute in der Community selber nie haben werden. Natürlich wäre es toll gewesen, wenn diese Menschen die gleichen Ressourcen gehabt hätten. Aber andererseits hat die Aufmerksamkeit einigen von ihnen dann wiederum zu Jobs verholfen.»
Auch für ihn stelle sich die Frage, wie man den Ursprüngen Respekt zolle und diese ehre, sagt Trajal Harrell, denn schliesslich bediene auch er sich Elementen des Voguing. Einerseits zollt der 45-jährige den Ursprüngen Tribut, indem er im Titel seiner Performance auf den Dokumentarfilm Paris is burning verweist, welcher die New Yorker Ballroom Community beleuchtet. «Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich nur Nachforschungen betrieben habe, selber aber kein Voguer bin und daher auch nicht für die Community spreche. Ich sage den Leuten immer, dass sie selber die Community besuchen sollen, um sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen.»
Die 10. Ausgabe des Festivals Tanz in Bern läuft noch 11. November in der Dampfzentrale. Alle weitern Infos zum Programm gibt’s hier. Am Sonntag 4. November gibt der brasilianische Künstler und Tänzer Ivy Monteiro einen Workshop für Voguing-Interessierte.