Vom 12. bis am 14. November 1918 legten 250’000 Arbeiter und Arbeiterinnen – ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung – in der Schweiz die Arbeit nieder. Der Streik führte zwar nicht zur Revolution, wie das Bürgertum befürchtet hatte. Doch er setzte die Politik unter Druck, wichtige politische Reformen zu Gunsten der arbeitenden Bevölkerung durchzuführen.
100 Jahre Landesstreik in der Schweiz
Nach Mitternacht, am 12. November 1918, legte eine Viertelmillion Menschen in der Schweiz die Arbeit nieder. Drei Tage lang streikten Arbeiter und Arbeiterinnen. Das Organisationskomitee des Streiks, das Oltener Aktionskomitee, forderte von der Schweizer Politik:
- Neuwahl des Nationalrates nach dem Proporzsystem
- Frauenstimmrecht
- Einführung einer Arbeitspflicht
- Beschränkung der Wochenarbeitszeit (48-Stunden-Woche)
- Reorganisation der Armee zu einem Volksheer
- Ausbau der Lebensmittelversorgung
- Alters- und Invalidenversicherung
- Staatsmonopole für Import und Export
- Tilgung der Staatsschulden durch die Besitzenden
Das regierende Bürgertum war alarmiert. Überall in Europa fanden in der Endzeit des ersten Weltkrieges revolutionäre Vorkommnisse statt. In Russland war es genau ein Jahr zuvor zur Revolution gekommen. In Deutschland wurde im November 2018 der Kaiser gestürzt. General Wille mobilisierte Truppen – vor allem mit Soldaten vom Land – und stationierte sie in den städtischen Streikzentren Bern und Zürich.
Zum Umsturz kam es nicht. Drei Streikende wurden von Soldaten erschossen, als sie den Streik bereits beendet hatten. Massive Gewalt – oder gar ein Bürgerkrieg – blieben aus, was unter anderem damit zusammenhing, dass die Streikführenden schauten, dass die Streikenden keinen Alkohol tranken. In den Tagen, Jahren und Jahrzehnten nach dem Streik wurde ein Grossteil der Forderungen des Oltener Komitees umgesetzt. Der Proporz bei den Nationalratswahlen, der es auch kleinen und linken Parteien ermöglichte, gewählt zu werden, war im November 1918 bereits beschlossen. Die AHV/IV wurde 1919 geplant und schliesslich 1948 eingeführt. Das Frauenstimmrecht wurde – nach zahlreichen missglückten Versuchen auf Kantons- und auf nationaler Ebene – 1971 eingeführt.
Das Gespräch von RaBe-Info-Redaktor Michael Spahr mit dem Historiker Adrian Zimmermann:
Zum 100-jährigen Jubiläum des Landesstreikes finden verschiedene Veranstaltungen statt – mehr Infos unter www.generalstreik.ch.
Adrian Zimmermann spricht an einer Veranstaltung in Bern am 14. November 2018 im Kornhausforum.