Der Begriff «Freigänger» bezeichnet eine Person in Haft, welche das Gefängnis für eine bestimmte Zeitdauer verlassen darf. Das kann für einen Tag sein, für ein Wochenende – manchmal sind diese Freigänge begleitet, manchmal sind sie auch ohne Aufsicht unterwegs.
«Freigänger» heisst auch das neue Stück der Regisseurin und Autorin Anna Papst. Zu Recherchezwecken hat sie während drei Jahren immer wieder die Strafanstalt Witzwil besucht und dort Interviews mit Freigängern geführt. Was macht jahrelange Gefangenschaft mit einem Menschen? Wie gelingt die Rückkehr vom Gefängnis in die Gesellschaft? Es sind Frage wie diese, welche Anna Papst in «Freigänger» zu ergründen sucht. Dafür hat sie Ausschnitte aus den Interviews in Monologe und Dialoge gegossen und zu einer lebensnahen Reportage für die Bühne verdichtet.
Papst will mit ihrem Stück einerseits die Erwartungshaltung des Publikums herausfordern. So wurden die Interviews ausschliesslich mit männlichen Straftäter geführt, auf der Bühne vorgetragen werden sie aber von den drei Schauspielerinnen Grazia Pergoletti, Florentine Krafft und Jeanne Devos. Andererseits will Papst auch einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten. «Die Menschen im Publikum entscheiden bei Abstimmungen mit, wie gesetztlich mit Straftätern verfahren werden soll», sagt sie. Zudem hätten wir alle doch auch eine soziale Aufgabe ehemaligen Strafgefangenen genüber. «Vermieter*innen und Chef*innen müssen entscheiden, ob sie ehemaligen Straftätern eine Chance geben wollen, genauso wie die Mitglieder eines Kegelvereins. Da macht es doch Sinn zu hören, was die Betroffenen selber dazu zu sagen haben.»
Freigänger, 24.1. – 16.4. Konzert Theater Bern