Der GAV der Schweizer Velokurier*innen ist ein europaweites Novum und geschlechtergerechte Formulierungen ein wichtiges Machtinstrument, um die Gleichstellung aller voranzutreiben. Dies zwei der Themen, welche heute im Rabe-Info im Fokus stehen. Den Podcast gibts hier:
Faire Arbeitsbedingungen für Velokurier*innen
Sie sind bekannt für ihre roten Trikots und ihre halsbrecherischen Überholmanöver: Die Velokurier*innen sind aus dem Berner Strassenverkehr nicht mehr wegzudenken. 1988 als selbstverwaltete Genossenschaft gegründet, verrichteten die Kurier*innen auf zwei Rädern ihre Arbeit lange in einer geschützten Nische und blieben die Nummer 1, wenn es um schnelle und ökologische Lieferungen ging.
Doch die Digitalisierung verändert auch ihr Arbeitsumfeld. Internationale Grosskonzerne drängen mit digitalen Plattformen auf den Markt. Die Angestellten sind «Scheinselbständige», die zu tiefen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten. So führt die Anwesenheit von Plattform-Firmen wie UberEats dazu, dass die Löhne in der Kurier-Branche unter Druck geraten.
Dies hat die Politik erkannt. Die Postcom, die für den Schweizerischen Postmarkt zuständige Behörde, verlangt gestützt auf das neue Postgesetz von der ganzen Post-Logistik-Branche einen Gesamtarbeitsvertrag. Ein GAV ist ein Vertrag zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Er regelt die Arbeitsbedingungen sowie das Verhältnis zwischen den GAV-Parteien, den so genannten Sozialpartnern. Als Teil der Logistik-Branche sind auch die Velokuriere von dem neuen Postgesetz betroffen, sofern sie über eine halbe Million Umsatz machen pro Jahr.
Velokurierdienste aus verschiedenen Städten haben sich deshalb zum Verband Swissmessengerlogistic zusammengeschlossen und in mehrjährigen Verhandlungen mit der Gewerkschaft Syndicom einen speziellen Gesamtarbeitsvertrag ausgehandelt. Der GAV der Velokuriere ist ein europaweites Novum. Er soll faire Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne garantieren und Schutz bieten vor Lohndumping.
Warum geschlechtergerecht Formulieren?
Es ist seit vielen Jahren belegt: Das Sichtbar-Machen von Frauen* und anderen Geschlechtern führt zu mehr Gleichstellung. Doch welche Formulierungen sollen verwendet werden? Spricht man von «Studentinnen und Studenten»? Oder doch besser von von «Studierenden»?
Christa Binswanger, Dozentin für Gender und Diversity an der Uni St. Gallen, lässt das Argument, dass geschlechtergerechtes Sprechen und Schreiben umständlich sei, nicht gelten. Sie plädiert für einen kreativen Umgang mit der Sprache und hält fest, dass Sprache aktiv die Wirklichkeit mitforme, weshalb eine Geschlechtergerechtigkeit auch hier anzustreben sei.
Interessierte Leser*innen finden hier eine Auswahl an online verfügbaren Studien zur Notwendigkeit von geschlechtergerechten Formulierungen:
Braun, Friederike; Anja Gottburgsen, Sabine Sczesny, Dagmar Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 26, s. 265-283. 1998.
Braun, Friederike; Sabine Sczesny, Dagmar Stahlberg: Cognitive Effects of masculins generics in German: An overview of empirical findings. 2005.
Braun, Friederike; Susanne Oelkers, Karin Rogalski, Janine Bosak, Sabine Sczesny:
«Aus Gründen der Verständlichkeit…» Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten. Göttingen 2007
Heise, Elke: Auch einfühlsame Studenten sind Männer. Das generische Maskulinum und die mentale Repräsentation von Personen. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 35, s. 285-291. 2003.
Heise, Elke: Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. In: Sprache und Kognition 19, s. 3-13. 2000.
Rothmund, Jutta; Brigitte Scheele: Personenbezeichnungen auf dem Prüfstand. In: Zeitschrift für Psychologie 212, s. 40-54. 2004.
Stahlberg, Dagmar; Sabine Sczesny: Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Münster 2001