Am 8. März ist Frauenkampftag und am Tag davor erhitzt eine sexistische Werbung die Gemüter – ein Fake? Eigentlich sollten die Mitarbeiterinnen der Stadt Bern morgen frei haben, doch der entsprechende Stadtratsbeschluss ist noch nicht umgesetzt. In den 1860er- und 1870er-Jahren war der Berner Jura ein wichtiges Zentrum der globalen anarchistischen Bewegung – der ZEITSPRUNG – heute im Info:
Sexistische Werbung oder ein feministischer Fake?
„Der neue Service, bei dem Mädels für Geld den Jungs die Mathe-Aufgaben lösen.“ Damit wirbt derzeit eine angeblich neue Firma mit viel Werbung im öffentlichen Raum. Mädchen können pro Stunde 9 Franken verdienen, wenn sie die Mathe-Aufgaben von Jungs lösen, verspricht math-dealer.ch. Die Jungs wiederum können sich für wenig Geld mehr Freizeit kaufen und ihre Eltern stolz machen.
In den Sozialen Medien löste dieses neue, genderspezifische Angebot viel Diskussionsstoff, Stirnrunzeln und Empörung aus. math-dealer.ch spielt jedoch so stark mit althergebrachten Gender-Klischees, dass es schwer fällt zu glauben, dass dahinter wirklich ein seriöses Business-Konzept steckt.
math-dealer.ch selber verneint, dass die Seite in Zusammenhang mit einer Kampagne zum Frauenkampftag vom 8. März aufgeschaltet worden sei. „Wir hätten nicht gedacht, dass unsere Plakate eine solche Debatte auslösen würden, da wir nur unsere Dienstleistung bewerben möchten. Falls unsere Kampagne Gefühle verletzt hat, entschuldigen wir uns dafür. Wir finden aber, dass unser Service absolut nicht verwerflich ist und teils überreagiert wird,“ schreibt die Firma in einer E-Mail an RaBe.
Ob hinter math-dealer.ch also wirklich eine baldige AG steckt, die Mädchen dafür bezahlt, den Jungs ihre Matheaufgaben zu lösen? …wir tappten vorerst im Dunklen… die Auflösung gibt es hier.
Keinen freien Frauenkampftag für die städtischen Mitarbeiterinnen
Vor einem Jahr hat das Berner Stadtparlament entschieden, dass die Mitarbeiterinnen der Berner Stadtverwaltung am 8. März, am Frauenkampftag frei haben sollen. Eingereicht hatten die entsprechende Motion drei Frauen von JUSO, AL und GFL mit dem Ziel, die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern zumindest symbolisch etwas auszugleichen.
Trotzdem müssen die Mitarbeiterinnen der Berner Stadtverwaltung morgen zur Arbeit. Die Stadtregierung ist gegen ein „Giesskannenprinzip“ und gibt zu bedenken, dass der zusätzliche freie Tag wiederum vor allem Frauen vor Probleme stellen könnte, weil beispielsweise in der Kinderbetreuung sehr viele Frauen arbeiten. Die Stadtregierung sei aber daran, genauere Abklärungen zu treffen bezüglich den verbleibenden 1,8 Prozent unerklärbare Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau in der Stadtverwaltung, so Michael Aebersold, Direktor für Personal und Finanzen der Stadt Bern gegenüber RaBe.
Anarchismus und Globalisierung im Jura im 19. Jahrhundert
Schon vor 150 Jahren klagten Menschen über den rasanten Wandel der Gesellschaft und der Technologie. Das wachsende Eisenbahnnetz, die verbesserten Transportwege zwischen den Kontinenten und die Erfindung der Telegrafie führten dazu, dass sich Menschen auf der ganzen Welt einfacher miteinander vernetzen konnten. Zahlreiche Historiker*innen sprechen heute von einer ersten Globalisierung, wenn sie über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts schreiben.
Betroffen von dieser Globalisierung war auch die Uhrenindustrie im Schweizer Jura. Einerseits wuchs der Handel mit Uhren. Andererseits begannen sich politisch engagierte Uhrenarbeiter – es waren praktisch nur Männer – weltweit zu vernetzen. Als sich die Internationale der Arbeiter*innenbewegung in einen marxistisch-kommunistischen Flügel und in einen von Michail Bakunin beeinflussten anarchistischen Flügel spalteten, fand 1872 der erste Kongress der antiautoritären Internationalen in der Uhrenindustriestadt St. Imier statt. Alles, was in der anarchistischen Bewegung Rang und Namen hatte, reiste damals in den Berner Jura.
Die anarchistische Bewegung war bis zur russischen Revolution 1917 die stärkste Strömung der Arbeiter*innenbewegung. Sie unterschied sich von der sozialdemokratischen Strömung dadurch, dass sie nicht für eine demokratische Veränderung mit Wahlen glaubte, sondern an eine Revolution. Auch der marxistisch geprägte Kommunismus wollte die Revolution, war aber im Unterschied zur anarchistischen Bewegung zentralistisch und eher von Oben organisiert. Die Anarchist*innen hingegen waren föderalistisch und für eine Organisation von Unten.
Der Historiker Florian Eitel hat über die sogenannte Jura-Föderation der anarchistischen Bewegung in der Schweiz das Buch «Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz» geschrieben – es kann als PDF komplett heruntergeladen werden. Im Gespräch mit RaBe erzählt er die Geschichte des Aufstiegs und Niedergangs der anarchistischen Bewegung im Jura:
Am 8. März 2019, um 18 Uhr, stellt Florian Eitel sein Buch im Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich vor.