Geflüchtete Menschen führen durchs Bernische Historische Museum und laden zu einem Perspektivwechsel ein. Jürg Halter und Elia Rediger nehmen in ihrer ersten gemeinsamen Theaterarbeit die Selbstoptimierung aufs Korn. Und: Vor 40 Jahren wurde die islamische Republik Iran ausgerufen – wir schauen zurück und in die Zukunft des Irans. Das und mehr gibts im heutigen Info-Podcast zu hören:
Andere Perspektiven auf unsere Geschichte entwickeln
Das arabische Wort «Multaka» steht für «Treffpunkt»; ab sofort wird auch das Bernische Historische Museum zu einem Treffpunkt der besonderen Art. Fünf Menschen, die einst aus dem Iran, Syrien, Afghanistan und Eritrea nach Bern geflüchtet sind, führen durch die Geschichte von Bern und der Welt. Sie betrachten historische Objekte aus ihrer Perspektive.
«Ich wünschte mir, wir könnten dem syrischen Präsidenten Assad den Schulheissenthron des Alten Bern ausleihen», sagt der syrisch-kurdische Museumsguide und Jugendarbeiter Farhad Haji lachend gegenüber RaBe, «dann sähe er plötzlich ganz klein aus in diesem riesigen Thron.» Haji ist einer der fünf neuen Museumsguides des Historischen Museums und wirft einen kritischen Blick auf die Geschichte, die dort gezeigt wird. «Mir gefällt es nicht, dass es im orientalischen Raum, der dem Innern einer Moschee nachempfunden ist, sehr viele Schwerter und Waffen hat. Es vermittelt ein Klischeebild des Orient», sagt Farhad Haji. Vor einem riesigen Modell des Alten Berns sagt er: «Das ist meine Heimatstadt.» Das führt zu Diskussionen mit den Besucher*innen der Ausstellung. Und genau das ist das Ziel dieses neuen Angebots des historischen Museums: Leute zum Nachdenken über ihre eigenen Perspektiven anzuregen.
Bis am Sonntag, dem 5. Mai 2019, findet wöchentlich jeweils um 15 Uhr eine Führung von Geflüchteten durchs Bernische Historische Museum statt. Ab dem 19. Mai gibt es die Führung jeden zweiten Sonntag.
Die Abschaffung der Selbstoptimierung im Anti-Musical
Da haben sich zwei gefunden: Der Berner Schriftsteller Jürg Halter und der Basler Musiker Elia Rediger bringen bei Konzert Theater Bern ihre erste gemeinsame Arbeit auf die Bühne. Ein Singspiel ist’s geworden, oder wie es Jürg Halter nennt: «Ein Anti-Musical oder ein fundamentales Alternativ-Musical.»
In Das Resort –Ein Singspiel über das tragische Ende der Selbstoptimierung prallen in einem Luxusresort mit integrierter Entzugsklinik verschiedenste Charaktere aufeinand. Die Gäste bilden eine Notgemeinschaft, denn ein Erdrutsch hat das Resort von der Aussenwelt abgeschnitten. Bald einmal geht es ans Eingemachte, wobei übergeordnet die Frage im Zentrum steht, was der Mensch dazu beiträgt, sich Schritt für Schritt selber abzuschaffen.
Ihr Stück sei kulturpessimistische Gesellschaftssatire und groteske Komödie in einem, sagt Jürg Halter. Da er einen «Musikerintegrations-Hintergrund» habe und Elia Rediger sehr an Text, Theater und Literatur interessiert sei, sei das Singspiel diejenige Form gewesen, in der man sich gefunden habe. Ihnen sei wichtig gewesen, dass die Musik nicht einfach nur als Zugabe zum Stück funktioniere, sondern in gleichberechtigter Kombination mit dem Text eine dritte Form ergeben, sagt Halter im Interview mit RaBe.
«Das Resort –Ein Singspiel über das tragische Ende der Selbstoptimierung», 4. April – 24. Mai 2019, Vidmarhallen
40 Jahre Islamische Republik Iran
Im Februar 1979 kam Ruhollah Chomeini aus dem französischen Exil zurück nach Teheran, stürzte den letzten iranischen Monarchen Shah Reza Pahlavi und proklamierte am 1. April 1979 die islamische Republik Iran. 40 Jahre später sprechen viele Iraner*innen mit Sehnsucht von der Monarchie unter Reza Schah, ja glorifizieren sie als Zeit, als der Iran noch ein freies Land gewesen sei.
Natürlich lügen diese Bilder nicht, betont der Iran-Experte Simon Wolfgang Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Bestimmte Kreise in den grösseren Städten hätten sicher profitiert, von der Monarchie, vom Ölboom, von der liberalisierten und stark wachsenden Wirtschaft der 70er Jahre. Gleichzeitig führte dieser Boom jedoch auch zu einer Landflucht und zu grossem Elend für breite Bevölkerungsschichten. Diese Bevölkerungsschichten unterstützte Chomeini mit Wohlfahrtsprogrammen, während er gleichzeitig mit brutalen Säuberungsaktionen gegen die Opposition vorging. Bis heute riskiert sein Leben, wer Kritik übt am Revolutionsführer, an der geistlichen Führung oder am Islam.
Heute, 40 Jahre nach der Revolution steht der Iran vor einer ungewissen Zukunft. Der oberste religiöse Führer, Ayatollah Chamenei ist alt und wird seine Macht bald abgeben. Was dann passiert, weiss niemand. Der Iran-Experte Simon Wolfgang Fuchs spekuliert, dass der Iran auch den Übergang zu einem neuen religiösen Führer weitgehend unbeschadet überstehen wird.