Soeben hat die Menschenrechtsorganisation Reporter-ohne-Grenzen ihre jährlich erscheinende Rangliste der Medienfreiheit veröffentlicht. Grosse Veränderungen gab es nicht. Skandinavische Länder stehen weiterhin an der Spitze. Die Schweiz liegt dieses Jahr auf Platz 6 und wurde von Dänemark um einen Platz zurück gestuft, was nicht wirklich signifikant ist. Die letzten Plätze belegen wie in anderen Jahren auch, autoritär regierte Länder wie China, Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Diktaturen, eine starke organisierte Kriminalität oder Krieg führen überall auf der Erde zu Einschränkungen der Medienfreiheit. Noch immer werden Medienschaffende in gewissen Ländern verfolgt, wenn sie sich nicht an Weisungen der Mächtigen halten und kritisch berichten:

Bettina Büsser
Subtiler ist die Einschränkung der Medienfreiheit in der Schweiz. Sie ist vor allem wirtschaftlicher Natur. Es gibt immer weniger Stellen im Journalismus, laufend werden Redaktionen ausgedünnt. Das heisst, Medienschaffende kommen stärker unter Druck und haben weniger Zeit zum Recherchieren. Auch die Konzentration der Medien auf ein paar wenige Konzerne ist gefährlich für die Medienfreiheit. Alle, auch die traditionellen Verlage, müssten jetzt über eine staatliche Medienförderung diskutieren, fordert Bettina Büsser, Koordinatorin von Reporter-ohne-Grenzen Deutschschweiz.
Dass die Medienfreiheit eingeschränkt wird, sobald ein Staatschef autoritärer wird, zeigt das Beispiel Serbien. Dort hat Aleksandar Vučić die Zügel fest in der Hand. Er kontrolliert nicht nur die politischen Institutionen im ganzen Land, sondern auch die Medien. „Die Medien behandeln ihn wie einen Superstar, geben ihm eine riesige Plattform und wagen sich nicht, kritische Fragen zu stellen“, sagt der langjährige SRF-Osteuropa-Korrespondent Walter Müller gegenüber RaBe. Seit vier Monaten gehen in Serbien Tausende auf die Strasse und protestieren gegen Präsident Aleksandar Vučić. Die meisten lokalen Medien berichten nicht oder nur negativ über die Proteste. Doch die Protestbewegung lässt sich nicht aufhalten, denn sie mobilisiert via Social Media (Facebook, Twitter) und ist nicht mehr auf traditionelle Medien angewiesen. Ob sie tatsächlich eine Veränderung bringen kann, bezweifelt Walter Müller: „Zu zerstritten ist die Opposition des Landes – noch.“

Walter Müller
Nicht nur in Serbien sind Medien unter Druck, sondern auch in anderen europäischen Ländern. In vielen ex-jugoslawischen Staaten werden Medienschaffende mit Klagen eingedeckt, wenn sie kritisch über die Mächtigen berichten. „Interessanterweise werden Prozesse gegen Medienschaffende sehr schnell durchgeführt, während andere Rechtsfälle jahrelang liegen bleiben“, erzählt Walter Müller aus Belgrad. Auch im westlichen Europa würden Medienschaffende zunehmend bedroht, sagt Bettina Büsser gegenüber RaBe. Sie nennt die Proteste der rechtsextremen Pegida in Deutschland, wo Medienschaffende als „Lügenpresse“ beschimpft werden, als Beispiel. Ähnliches passiere bei der französischen Protestbewegung „Gilets jaunes“, wo Medienschaffende zuweilen Personenschutz brauchen, um überhaupt noch berichten zu können.
Es gibt aber auch Lichtblicke: Äthiopien ist in der Rangliste von Reporter-ohne-Grenzen um 40 Ränge nach oben gestiegen. Nach einem Machtwechsel wurden zahlreiche gefangene Medienschaffende aus dem Gefängnis entlassen und verbotene Medien wieder zugelassen.
Interview mit Bettina Büsser (Reporter-ohne-Grenzen):
Interview mit Walter Müller (Journalist Belgrad):