Am 19. Mai 2019 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über STAF ab. STAF steht für Steuerreform und AHV-Finanzierung. Die Vorlage verknüpft zwei komplett verschiedene Gesetze und gilt als typischer Kompromiss. Sowohl die Linke als auch die Rechte ist gespalten.
Bundesrat und Parlament haben auf das wuchtige NEIN der Bevölkerung zur letzten Unternehmenssteuervorlage USR 3 (2017) reagiert. Sie haben bei der aktuellen Steuerrevision erneut die internationale Kritik an Steuerschlupflöchern ernst genommen und einige dieser Löcher gestopft. Um die Stimmen eines Teils der linken SP ins Boot zu holen, haben sie die Vorlage gekoppelt mit der AHV-Finanzierung: In Zukunft müssen Unternehmungen und Arbeitnehmende höhere Beiträge zur AHV-Finanzierung leisten. Balthasar Glättli (Nationalrat Grüne) kritisiert diese Vorlage, weil sie neue Steuerschlupflöcher für Grosskonzerne enthalte. Ausserdem bedeute die neue AHV-Finanzierung nicht höhere AHV-Beiträge für Bedürftige, sondern wegen fehlenden Steuereinnahmen würde die Situation für viele Menschen noch prekärer:
Die Linke ist zerstritten: Die Grünen sagen NEIN, die SP sagt JA. Ebenso ist es bei den Gewerkschaften: Einige sagen klar NEIN, andere zähneknirschend JA. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat die Stimmfreigabe beschlossen. Der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse sagt JA. SP-Nationalrat und Präsident von Travail Suisse, Adrian Wüthrich, begründet das JA zum Kompromiss vor allem mit der AHV-Finanzierung. Dank der STAF gäbe es mehr Luft bei der Reform der Altersvorsorge, sagt er gegenüber RaBe. Die Mehrwertsteuer, die eine asoziale Steuer sei, müsse weniger stark erhöht werden. Zudem sei die Erhöhung des Rentenalters von Frauen auf 65 Jahre vorläufig nicht nötig:
Sehr kritisch sieht STAF Dominik Gross, Finanz- und Steuerexperte bei der entwicklungspolitischen Organisation Alliance Sud. Er hat die STAF-Vorlage genauer untersucht und kommt zum Schluss: Die STAF räumt zwar mit einigen Steuerprivilegien für Grosskonzerne auf, schafft aber gleichzeitig neue Schlupflöcher. Aus entwicklungspolitischer Sicht sei das höchst problematisch, sagt er gegenüber RaBe. Es finde kein Paradigmenwechsel statt. Auch in Zukunft werden Grosskonzerne Gewinne aus armen Ländern abziehen und in die steuergünstige Schweiz verschieben, statt vor Ort wichtige Investitionen zu ermöglichen. Dass die Vorlage die AHV stärkt, sieht er hingegen als positiv an. Dominik Gross sagt gegenüber RaBe, die STAF sei punkto Steuergerechtigkeit im Vergleich zur USR 3 jedoch «Alter Wein in neuen Schläuchen»:
International wird die STAF-Vorlage ebenfalls kritisiert. Die entwicklungspolitsche Organisation OXFAM äussert sich in einem aktuellen Bericht über weltweite Steueroasen sehr kritisch und glaubt nicht, dass die Schweiz nach der Reform keine Steueroase mehr sei. Kein Problem damit, eine Steueroase zu sein, haben die rechten politischen Kräfte in der Schweiz. Sie sind aus einem anderen Grund gespalten: Viele Rechte sagen NEIN, weil sie sich gegen die Stärkung der AHV wehren. Andere kritisieren die Verknüpfung von zwei komplett verschiedenen Gesetzen. Die CVP, FDP, BDP und EVP sagen JA, die SVP hat die Stimmfreigabe beschlossen, die Grünliberalen sagen NEIN.
Das letzte Wort über STAF hat das Schweizer Stimmvolk am 19. Mai 2019 – eine kurze Erklärung, wie STAF funktioniert, gibt es im Video des Bundes: