Mit dem Elektroauto in die Sackgasse, 20 Jahre seit dem Pfingsthochwasser 1999 und Kunstschaffende aus Honduras unter Druck – Hintergründe zu diesen Themen gibt es hier im Podcast:
Warum E-Autos unsere Probleme nicht lösen
Der ehemalige deutsche Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf ist Chefredaktor der kritischen Wirtschaftszeitschrift «Lunapark 21». Er hat soeben das Buch «Mit dem Elektroauto in die Sackgasse: Warum E-Mobilität den Klimawandel beschleunigt» herausgebracht. Er besucht Bern, weil dort am kommenden Samstag der erste E-Prix statt findet, eine gigantische Werbeveranstaltung für E-Autos.
Wolf kritisiert die Auto-Industrie für ihre Strategie, E-Autos als die neue Alternative zu Benzin- und Dieselautos zu verkaufen. E-Autos seien in der Produktion viel Klima schädigender als herkömmliche Autos, sagt er gegenüber RaBe. So müsse ein Tesla über 50000 Kilometer gefahren werden, bevor er umweltfreundlicher werde als VW Golf, der Benzin verbraucht. Insbesondere die Produktion der Batterien ist sehr umweltschädlich. Problematisch sei auch, sagt Wolf, dass vielerorts nicht erneuerbarer Strom für E-Autos benutzt werde. Die Kohle- und Atomindustrie hoffe sogar auf mehr E-Autos, sagt Wolf.
Ein weiteres Problem der E-Autos ist, dass sie sämtliche Probleme des Individualverkehrs nicht lösen: sie brauchen viel Platz in den Städten, führen zu Stau und sind gefährlich, weil es wegen ihnen auch weiterhin viele Verkehrstote geben wird. Stattdessen sollten die Städte auf ein gutes öffentliches Verkehrsnetz, Velo- und Fussverkehr setzen, argumentiert Winfried Wolf. Ein E-Prix setze ein schlechtes Zeichen, sagt er, weil er den Geschwindigkeitswahn fördere, der immer noch viele Tote im Autoverkehr verursacht.
Am Mittwoch, 19. April, um 19:30 Uhr stellt Winfried Wolf sein Buch «Mit dem Elektroauto in die Sackgasse: Warum E-Mobilität den Klimawandel beschleunigt» im Käfigturm vor. Am Donnerstag, 20. April, um 19 Uhr ruft das Komitee «Formel E – ade» zu einer Velodemonstration auf dem Bundesplatz auf.
„Wenn Sie evakuiert werden wollen – stehen Sie ans Fenster“
An Pfingsten vor zwanzig Jahren wurden grosse Teile der Schweiz überschwemmt. Starkniederschläge mit 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde und späte Schneeschmelze fluteten im Mai 1999 die Gewässer. In Bern wurde der Flughafen in Belp von der Aare überschwemmt, der Tierpark Dälhölzli musste evakuiert werden und die Anwohnenden in den Quartieren Marzili, Matte und Felsenau mussten ihre Häuser verlassen. Notschlafplätze wurden eingerichtet, die Feuerwehr übernahm das Kommando. Nur sechs Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser, schon wieder Überschwemmungen. Dauerregen reisst 2005 Schwemmholz mit, Schwellen verstopfen, die Matte wurde regelrecht gefüllt mit Wasser. Wir haben zurückgeschaut auf die Hochwasser und die aktuelle Situation in Bern beleuchtet. Dina Brügger vom Tiefbauamt Stadt Bern sagt, gäbe es heute Niederschläge mit der selben Stärke wie damals 1999
oder 2005 habe man zwar bessere Sofortmassnahmen für die Bevölkerung, die Schäden wären aber dieselben. Denn ohne bauliche Massnahmen könne man nicht alles abfangen. Die Stadt plant seit dem letzten Hochwasser das Projekt „Gebietsschutz Quartiere an der Aare“, der Baubeginn verzögert sich aber wegen Einsprachen der Anwohnenden. Der Eingriff in die Natur sei nicht verhältnismässig, argumentieren diese. Auch dieses Jahr gab es Starkniederschläge im Frühling und es liegt immer noch Schnee in den Alpen. Das Risiko besteht auch dieses Jahr, zwanzig Jahre später, dass die Keller in den tiefen Quartieren Berns wieder mit Schlamm und Wasser gefüllt würden.
Golpe #10
Seit dem Staatsputsch in Honduras am 28. Juni 2009 haben Gewalt und Militarisierung, Armut, Arbeitslosigkeit und die Unterdrückung sozialer Bewegungen massiv zugenommen. Auch Honduras Kunstschaffende spüren die Veränderungen. Wer Kritik übt, dem wird die staatliche Unterstützung gestrichen. Orte zu finden, um kritische Kunst öffentlich zu präsentieren, erfordert heute einen riesigen Effort seitens der Kunstschaffenden.
In Zusammenarbeit mit dem Honduras Forum Schweiz präsentiert der honduranische Kurator Adán Vallecillo in der Ausstellung Golpe #10 in Bern und Zürich ausgewählte Werke von 10 honduranischen und 1 Schweizer Kunstschaffenden. Mit Fotografie, Video- und Performancekunst nehmen sie die sozialen und politischen Veränderungen seit dem Militärputsch vor 10 Jahren unter die Lupe.
Das Colectivo Mitch zum Beispiel wurde anlässlich des 20. Jahrestags des Hurrikans Mitch im Jahre 1988 gegründet. Die verheerenden Auswirkungen dieses Hurrikans spürt das Land bis heute. Während die Regierung zum 20. Jahrestag schwieg, versuchte das Kollektiv mit Plakataktionen und anderen Gedenkveranstaltungen die Öffentlichkeit zum Nachdenken anzuregen und die traumatische Erfahrung wieder ins kollektive Gedächtnis zu rufen.
In seiner verstörenden Performance «Retransmisión» interpretiert Pavel Aguilar, verkleidet als Soldat der honduranischen Anti-Aufstand-Einheit, auf seiner Violine die honduranische Nationalhymne. Diese Nationalhymne hat eine sehr starke Bedeutung für den Staat, das Militär und für alle HonduranerInnen. Indem Aguilar sie verzerrt, entmystifiziert und zerstört er dieses nationale Symbol. Dabei bezieht sich Aguilar direkt auf den Staatsputsch von 2009: Dieser Umsturz war nur möglich, weil das Militär den demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya verhaftete, eine De-Facto-Regierung einsetzte und die Demonstrationen gewaltsam unterdrückte.
Plakatsammlung des Colectivo Mitch, 2018 / Retransmisión von Pavel Aguilar, 2011 / Melting von Leonardo González, 2014
RaBe im Gespräch mit Kurator Adán Vallecillo: