Artikel 116 bestraft auch humanitäres Handeln und die Grenzschutz-Agentur Frontex begeht Menschenrechtsverletzungen. Und was ist eigentlich aus Richi («I ha gseit du söusch di guet häbe!») geworden? Das und mehr gibt’s im heutigen Info-Podcast zu hören:
Humanitäres Handeln wird gleich bestraft wie Geldgier
«Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer im In- oder Ausland einer Ausländerin oder einem Ausländer die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert oder vorbereiten hilft.» Das steht im Artikel 116 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration. Rein formell betrachtet, verletzte die Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz dieses Gesetz, als sie einem geflüchteten Afghanen half, in die Schweiz zu kommen. Dieser war zuvor von seiner Schwester in der Schweiz getrennt und nach Italien ausgeschafft worden. Obdachlos und traumatisiert, weil er soeben erfahren hatte, dass sein Frau und sein Kind in seiner Heimat gestorben waren, drohte er, sich das Leben zu nehmen. Anni Lanz begab sich nach Italien und nahm den Mann im Auto mit zurück in die Schweiz. Dafür würde Lanz angeklagt.
Am 21. August 2019 wurde Anni Lanz bereits zum zweiten Mal vor Gericht vorgeladen. Dort musste sie erklären, warum sie sich als Lebensretterin sah und nicht als kriminelle Menschenschmugglerin. Das Gericht befand, sie hätte den Mann in Italien lassen können und Anni Lanz wurde verurteilt.
Niemand habe daran gezweifelt, dass die Frau aus humanitären Motiven gehandelt habe, als sie den geflüchteten Afghanen aus Italien zurück in die Schweiz gebracht habe, erzählt Muriel Trummer, die den Prozess beobachtet hat. Doch das Gesetz macht keine Unterschiede: Wer aus humanitären Motiven handelt, wird ebenso bestraft, wie jemand, der aus Geldgier agiert.
Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen kämpfen nun für die Änderung des restriktiven Gesetzesartikels 116 und haben eine entsprechende Petition lanciert. Zudem ist auf Bundesebene ein parlamentarischer Vorstoss hängig, über den jedoch noch nicht debattiert wurde. Schon jetzt gäbe es eigentlich einen gewissen Spielraum für die Justiz, sagt Muriel Trummer von Amnesty International gegenüber RaBe. Ein Fall, wie derjenige von Anni Lanz, müsse nicht zwingend zu einem Prozess führen. Das geltende Recht könnte in den Kontext der Menschenrechte gesetzt werden, wodurch die Justiz auf eine Verurteilung verzichten könnte, sagt Trummer.
Es gibt diverse andere Fälle, wie derjenige von Anni Lanz, in welchen humanitär handelnde Menschen wie Verbrecher behandelt werden. Muriel Trummer und ihre Mitstreiter*innen hoffen nun, das der aktuelle Fall eine Signalwirkung hat und der Öffentlichkeit zeigt, wie absurd Artikel 116 ist. Möglicherweise wird Anni Lanz den Fall vor Bundesgericht weiterziehen. Entscheiden wird sie sich, sobald sie das aktuelle Urteil schriftlich hat.
Grenzschutz verletzt Menschenrechte
Die Grenzschutzagentur Frontex ist von der EU beauftragt, die EU-Aussengrenze zu bewachen und die lokalen Polizeikräfte bei der sogenannten Flüchtlingsabwehr zu unterstützen. Schon heute wird Frontex kaum kontrolliert – Informationen über das Tun und Treiben der Agentur gelangen nur selten an die Öffentlichkeit. Nächstes Jahr soll Frontex zudem massiv ausgebaut werden und mehr Personal, mehr Budget und noch mehr Entscheidungsfreiheit erhalten.
Kürzlich haben das ARD-Magazin Report München, der britische Guardian und die Recherche-Plattform Correctiv aufgedeckt, dass Frontex mitverantwortlich ist für Menschenrechtsverletzungen. Transparenz-Aktivist*innen haben mit sehr viel Mühe und Nachdruck Dokumente beschafft, die das beweisen. Zu diesen Aktivisten gehört auch der Enthüllungsjournalist Arne Semsrott. Radio Corax in Halle hat mit ihm gesprochen.
Was aus Richi wurde
«Richi, i ha gseit, du söusch di guet häbe!!!» Diese Worte machten vor fünf Jahren auf allen TV-Kanälen die Runde und machten Auswanderer Hermann Schönbächler und dessen Sohn Richi ungewollt zu Berühmtheiten. Schönbächler wollte seinen knapp vierjährigen Sohn aus dem Bagger heben, was dann leider nicht ganz so klappt, wie es sollte. Zu sehen war das ganze in der SRF Doku «uf und drvo».
Was ist aus Richi geworden? Diese Frage hat sich Noah Oetterli gestellt. Der Thuner ist seit rund drei Jahren in der Slam Poetry Szene unterwegs und räumte bei den U20-Schweizermeisterschaften den dritten Platz ab.