Heute im Info fragen wir, wie der Kanton seine Versäumnisse in Sachen Biodiversitätsförderung aufholen kann, wir berichten über kritische Stimmen gegenüber der Überbauung Weyermannshaus West und über eine Sammelklage gegen VW wegen Betrugs.
Kanton Bern will Hausaufgaben bei der Artenvielfalt endlich erledigen
Die Verminderung der Artenvielfalt oder Biodiversität ist ein globales Problem, auch in der Schweiz besteht dringender Handlungsbedarf: Gemäss Bundesamt für Umwelt ist knapp die Hälfte aller Lebensräume in der Schweiz bedroht, mehr als ein Drittel aller Arten ist gefährdet.
Eigentlich haben sich die offizielle Schweiz und die Kantone verpflichtet, mehr zum Schutz der Arten zu tun, doch lange haben sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das soll sich nun ändern. Der Berner Regierungsrat hat am 1. September 2019 den Sachplan Biodiversität in Kraft gesetzt.
«Der Sachplan enthält zwar keine neue Erkenntnisse und schafft auch keine neuen Gesetze, aber er zeigt, was schon lange hätte gemacht werden müssen und was jetzt gemacht werden muss», sagt Urs Känzig, Leiter Abteilung Naturförderung des Kantons Bern, gegenüber RaBe. Nicht vermeiden lassen sich Konflikte unter anderem im Energiebereich, wo Pläne, klimafreundliche Wasserenergie zu fördern, den Artenschutz vermindern können. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Staumauer gebaut wird, wegen der dann ein Naturschutzgebiet unter Wasser gesetzt wird. Hier müssten Interessen gut gegeneinander abgewogen werden, sagt Urs Känzig.
Der Kanton Bern listet eine Auswahl der Ziele und Massnahmen auf:
• Naturschutz: Vollzugsdefizite bei den Bundesvorgaben beheben, insbesondere Bundesinventarobjekte räumlich abgrenzen und behördenverbindlich festlegen (Hoch- und Flachmoore, Auen, Trockenwiesen und -weiden, Amphibienlaichgebiete), den Vollzug in Bezug auf Massnahmen zur Regeneration intensivieren, Bewirtschaftungsverträge abschliessen, Pflegepläne umsetzen sowie die aktuell gültige Naturschutzgesetzgebung überprüfen.
• Jagd und Wildtierschutz: Wildwechselkorridore behördenverbindlich festlegen und in die kommunalen Nutzungsplanungen übernehmen, den Handlungsbedarf von Massnahmen in den Wildtierkorridoren beurteilen und diese schrittweise nach Prioritäten umsetzen, das Vorgehen im Konfliktfall regeln (z.B. Biber) sowie Massnahmen für besseren Schutz von einheimischen Vögeln und anderen Wildtieren in deren Lebensräumen umsetzen.
• Gewässer und Fischerei: Lebensräume gefährdeter Fisch- und Krebsarten erhalten und aufwerten, Laichhabitate und die natürliche Reproduktion fördern, wiederhergestellte Lebensräume von gefährdeten Arten wiederbesetzen sowie bestehende Wasserkraftanlagen sanieren, um Fischerwanderungen zu ermöglichen.
• Wald: Weitere Verträge für Waldreservate mit Waldbesitzern abschliessen, Vertragsnaturschutz fördern sowie Lebensräume aufwerten (z.B. Waldränder).
• Landwirtschaft: Biodiversitätsförderflächen aufwerten sowie eine kantonale Vollzugsstelle zum rationellen Vollzug der Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsprojekten betreiben.
• Raumplanung: Die Biodiversitätsziele mit den raumplanerischen Instrumenten unterstützen (kantonales Landschaftsentwicklungskonzept, Sachplan Moorlandschaften, See- und Flussufergesetz, regionale Richtplanung, kommunale Nutzungsplanungen).
Harsche Kritik an Überbauung Weyermannshaus West
Die geplante Gross-Überbauung Weyermannshaus West sorgt sowohl beim Gewerbe als auch bei der Anwohnerschaft für grossen Unmut. Auf einer Fläche, fast so gross wie das Neubaugebiet Viererfeld, plant die Stadt Bern zusammen mit den Grundeigentümer*innen Post Immobilien und Burgergemeinde Bern bis zu 1000 neue Wohnungen. Auf dem heutigen Gewerbeareal zwischen der Badi Weyerli und dem Untermattquartier im Westen von Bern soll ein dichtes, urbanes Wohnquartier mit Gewerbeanteil entstehen.Im Rahmen des öffentlichen Mitwirkungsverfahrens, das morgen Mittwoch endet, erntet die Überbauungsordnung Weyermannshaus West viel Kritik.
Der Gewerbeverband Stadt Bern moniert, die Stadt Bern verkenne die Realitäten des produzierenden Gewerbes. Gewerbe, das diesen Namen verdiene, sei ohne Lärmemissionen und Lastwagen nicht zu haben, was in einem Wohnquartier unweigerlich zu Konflikten führe. Präsident Thomas Balmer fordert deshalb von der Stadt, das Areal Weyermannshaus West als eines der letzten, verblieben Areale für Gewerbe und Industrie in der Stadt Bern zu erhalten.
Kritik ernten die Überbauungspläne der Stadt auch seitens der Quartierbevölkerung.
Der Quartierverein Untermatt kritisiert in seiner Stellungnahme insbesondere, dass die Stimmen aus dem Untermattquartier, wozu auch das Areal Weyermannshaus West gehöre, in der Planungsphase kaum berücksichtigt wurden. Und diese Bedürfnisse seien zahlreich, in einem sehr verdichteten Quartier, dass kaum Freiräume biete, mit einer Bewohnerschaft, die grösstenteils sozioökonomisch benachteiligt und auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sei, so Simon Affolter vom Quartierverein Untermatt. Unverständlich findet er, dass die Stadt es verpasst habe, die aktuell schwierige Situation der Kinder zu verbessern. Zurzeit würden die Kinder in drei umliegende Schulhäuser verteilt. Mit dem Neubau hätte die Stadt die Chance gehabt, ein neues Schulhaus, sowie Kindertagesstätten und Spielplätze zu bauen. Ähnlich tönt es in der Stellungnahme des Café Le Choix vom Untermatttreff. Im Rahmen einer Befragung der Quartierbewohnenden sei klar geworden, dass die meisten Bewohnenden das Quartier verlassen müssten, falls die Mieten steigen. Laut dem Bericht zur Überbauungsordnung Weyermannshaus West soll zwar ein Drittel preisgünstiger Wohnraum entstehen, sprich Wohnungen, die dauerhaft in Kostenmiete vermietet würden. 70% des Wohnraumes sei aber trotzdem auf Gutverdienende ausgerichtet, was das angrenzende Untermattquartier stark unter Druck setze. Sowohl der Quartierverein als auch das Café LeChoix befürchten, dass durch die Aufwertung des Areals eine Verdrängung der aktuellen Quartierbevölkerung stattfinden werde. Das Café Le Choix bringt hier das Instrument des Sozialplans ins Spiel. In Unternehmen bereits weit verbreitet, sei das Mittel des Sozialplans auch im Wohnbereich zu erproben, um die Folgen von sozialen Veränderungen für die Wohnbevölkerung abzudämpfen.
Morgen Mittwoch endet die öffentliche Mitwirkung zur Überbauungsordnung Weyermannshaus West. Ob und wenn ja inwiefern die vielen, kritischen Stellungnahmen aus dem Quartier noch ins Projekt einfliessen, wird sich weisen.
Bundesanwaltschaft wird aktiv im VW-Abgasskandal
Wer vor 2016 einen VW mit Dieselmotor gekauft hat, könnte von Volkswagen getäuscht worden sein. Mit einer speziellen Software hat der Automobilkonzern Abgastests verfälscht, welche die Autos umweltfreundlicher erscheinen liessen, als sie es tatsächlich waren. Für Betroffene bedeutet dies, dass das Auto, das sie einst gekauft haben, viel weniger wert hat, als angenommen.
Seit dem VW-Abgasskandal laufen zahlreiche Prozesse gegen den Konzern – auch in der Schweiz. Die Stiftung Konsumentenschutz Schweiz hat 2017 beim Handelsgericht Zürich eine Schadenersatzklage eingereicht. Die Importeure von Volkswagen haben jedoch bisher erfolgreich verhindert, dass es zu einem Prozess kommt. Nachdem sie lange geschwiegen hat, hat sich im September 2019 endlich die Bundesanwaltschaft zu Wort gemeldet. Sie will ebenfalls ein Strafverfahren einleiten. Auf einer Internetseite können Geschädigte einen Fragebogen ausfüllen und sich an einer Klage beteiligen.
Cécile Thomi, Leiterin Recht bei der Stiftung Konsumentenschutz Schweiz, sagt gegenüber RaBe, der Druck den der Konsumentenschutz ausgeübt habe, sei ein wichtiger Grund dafür, dass die Bundesanwaltschaft endlich handle. Sie empfiehlt allen Geprellten, sich der Klage anzuschliessen.