Wir beleuchten im heutigen Info unter anderem die Privatisierung persönlicher Daten, das Klimablatt und Mexikos 25’000 unbekannte Toten. Den Podcast gibst hier zu hören:
Privatisierung der E-ID
Mit der Privatisierung der E-ID steht der Schweiz ein historischer Systemwechsel bevor: An Stelle von staatlichen Passbüros verwalten in Zukunft Grossbanken, Versicherungen oder sonstige Privatunternehmen unsere sensiblen, persönlichen Identitätsdaten. Gestern hat sich der Ständerat zum letzten Mal über das neue Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste E-ID gebeugt. Am Freitag folgt die Schlussabstimmung.
Derweil ist das Referendumskomitee bereits in den Startlöchern. Zahlreiche Zivilorganisationen, unter ihnen die Digitale Gesellschaft und die digitale Politplattform wecollect, haben das Referendum angekündigt. Laut Che Wagner von welcollect haben repräsentative Umfragen klar gezeigt, dass die Bürger*innen weiterhin die Wahl haben wollen, ob ihre Daten vom Staat oder von privaten Unternehmen verwaltet werden. Rund 87 % der Bevölkerung wollen ihren digitalen Pass künftig auch vom Staat beziehen können, weil ihnen das Vertrauen in Privatunternehmen fehlt. Selbst wenn zusätzliche Kontroll- und Sanktionsmechanismen eingeführt würden, bleibt das Bündnis skeptisch, weil die Erfahrungen der letzten Jahre anschaulich gezeigt hätten, dass Privatkonzerne dem Datenschutz zu wenig Bedeutung beimessen, und persönliche Daten teils auch für kommerzielle Zwecke missbrauchen würden.
Das heutige Gesetz sei kein politischer Kompromiss, sondern ein Kniefall vor der Wirtschaft, moniert das Bündnis rund die Digitale Gesellschaft und wecollect. Aktuell sind sie auf der Suche nach 10 000 Menschen, die sich verpflichten je 5 Unterschriften beizutragen. Falls das bis am 8. Oktober klappt, ergreift das Bündnis das Referendum gegen das neue Bundesgesetz über die E-ID. Mehr Infos gibt’s im Netz unter
Digitale Gesellschaft Schweiz.
Klimablatt in CH-Briefkästen
Gleichzeitig mit den Wahlunterlagen landete auch das Klimablatt in jedem vierten Haushalt der Schweiz. Es handelt sich dabei um ein vierseitiges Dossier zum Zustand des Weltklimas. Das ganze Blatt unterliegt einem Quellencheck durch fachlich versierte Personen. Auf ihrer Webseite hat die Gruppe zudem ein Quellenverzeichnis publiziert, womit man jede Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann.
Die Aktion geht aus der Klimastreik Bewegung Schweiz hervor, die seit Dezember des letzten Jahres immer wieder für striktere Klimamassnamen auf die Strasse ging. Das Team hinter dem Klimablatt besteht aus rund 40 Personen, den harten Kern bilden 15 Personen. In der Redaktion sitzen frischgebackene Maturand*innen, Student*innen, Lehrlinge, Arbeiter*innen und Wissenschaftler*innen, aber keine Politiker*innen. Der Klimastreik will unabhängig bleiben und setzt auf eine überparteiliche Zusammenarbeit. Dank einem erfolgreichen Crowdfunding konnte die Gruppe innerhalb kürzester Zeit genug Geld sammeln, um das Klimablatt hauptsächlich in ländliche Regionen zu verschicken. Gedruckt wird sowohl auf Deutsch, als auch auf Französisch und Italienisch.
Die Schweiz wähle am 20. Oktober das letzte Parlament, das die Schweiz noch auf den Klimakurs bringen könne, so die Redaktion des Klimablatts. Es brauche deshalb ein Parlament, das auf die Wissenschaft höre. In den letzten 50 Jahren stieg die Wahlbeteiligung in der Schweiz nie über 50%. Das soll sich nun ändern. Das Klimablatt ist ganz klar eine Aufforderung, sich politisch zu beteiligen, vor allem auch weil viele Klimastreiker*innen selber noch keine Stimme haben.
Mexikos 25 000 unbekannte Todesopfer
25 000 nicht identifizierte Todesopfer, die irgendwann einmal verschwunden sind und getötet wurden, liegen in den mexikanischen gerichtsmedizinischen Instituten. Mexikos Gerichtsmedizin krankt an Geld- und Personalmangel, an ungenügender Infrastruktur und fachlicher Inkompetenz, sagt die Anwältin Maricela Vázquez. Seit 17 Jahren unterstützt Vazquez bei der Organsation Paso del Norte in Ciudad Juarez, einer Grenzstadt an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, Menschen bei der Suche nach verschwundenen Familienangehörigen, auch in den gerichtsmedizinischen Instituten.
Kürzlich weilte sie auf Einladung von Peace Brigades International in der Schweiz. Letzte Woche sprach sie vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf, nun geht ihre Reise weiter nach Brüssel. Mit scharfen Worten kritisiert die Anwältin anhand zahlreicher Beispiele die Versäumnisse der mexikanischen Gerichtsmedizin. Sie berichtet von jahrelangem Warten auf die Ergebnisse, von falschen Befunden und rechtswidriger Amtsanmassung.
Vor der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte versprach der Abgeordnete der mexikanischen Regierung, man werde den nationalen Notstand beheben und die dafür notwendigen finanziellen und personellen Mittel bereitstellen.
Laut Maricela Vázquez ist zwar bis heute nichts passiert, doch zumindest habe sich die neue Linksregierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador zum Problem bekannt. Damit scheint die Ausgangslage besser als auch schon. Der Weg allerdings bleibt steinig. Vor allem auch, weil die Problematik der verschwundenen Personen in der mexikanischen Öffentlichkeit ganz anders behandelt wird als hier in Europa: In Mexiko gehe die Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass verschwundene Personen mehrheitlich kriminell seien, Angehörige von Banden, Drogenkartellen oder sonstigen kriminellen Organisationen. Warum also soll man nach ihnen suchen, warum also soll man sie identifizieren? Diese öffentliche Meinung nachhaltig zu verändern, das sei ein steiniger Weg, so die Menschenrechtsanwältin Maricela Vázquez.