Der Fichenskandal im Jahre 1989 erinnert stark an George Orwells Jahrhundertroman 1984: 700’000 Personen und Organisationen wurden während des letzten Jahrhunderts von der Schweizer Bundespolizei und den kantonalen Polizeien wegen Verdachts auf „staatsgefährdendes Verhalten“ im weitesten Sinne ausspioniert. Dazu wurden rund 900 000 Registerkarten, so genannte Fichen angelegt.
Das Ausmass war immens: In den 1930er- und 40er-Jahren wurden insbesondere Nationalsozialist*innen und faschistische Bewegungen überwacht. In der Zeit des Kalten Krieges wurde die Überwachung auf Aktivist*innen aus linken Kreisen ausgedehnt, später kamen auch Gewerkschaften und Kommunen, Feminist*innen, Jura-Separatist*innen, Atomkraftgegner*innen, Pinochet-Kritiker*innen, Migrant*innen, Anarchist*innen, Marxleser*innen, Osteuropareisende und allerlei andere, angeblich verdächtige Personen hinzu.
Ans Licht kam der Fichenskandal im Zuge der Affäre rund um die damalige Justizministerin Elisabeth Kopp. Das Parlament setzte zur Untersuchung des Justizministeriums und der Geheimdienste eine Parlamentarische Untersuchungskommission PUK unter dem Vorsitz des damaligen Nationalrates und späteren Bundesrats Moritz Leuenberger ein. Zwei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer, am 24. November 1989 präsentierte diese ihren rund 250 Seiten umfassenden Bericht. Offensichtlich gab es bei der Bundespolizei keinerlei Richtlinien, wie Daten gesammelt oder Menschen überwacht werden sollten. Die meisten Ficheneinträge waren denn auch äusserst unsystematisch und willkürlich.
Der Fichenskandal erschütterte das Vertrauen vieler Bürger*innen in Staat und Geheimdienste nachhaltig. Im März 1990 demonstrierten in Bern rund 35’000 Menschen für die Abschaffung des „Schnüffelstaates“ und verlangten die Herausgabe der Akten. In der Folge stellten rund 300 000 Menschen ein Gesuch um Akteneinsicht. Unter ihnen auch die 3 RaBe-Gründerväter und -mütter Willi Egloff, Silvia Sommer und Fred Sommer.
Zum 30. Jahrestag des Fichenskandals hat sie das RaBe-Info mitsamt ihren Aktenbündeln im Studio empfangen: