Die JUSO will den Nachrichtendienst abschaffen, Studierende fordern mehr bezahlbaren Wohnraum und Journalist Max Zirngast analysiert in seinem neuen Buch die Lage in der Türkei. Dies und mehr sind die Themen der heutigen Infosendung. Den Podcast gibst hier:
Harsche Kritik am Schweizer Nachrichtendienst NDB
Die Kritik am Schweizer Nachrichtendienst NBD reisst nicht ab: In ihrem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht nimmt die zuständige Geschäftsprüfungsdelegation GPDel den NDB erneut scharf ins Gericht. Der NBD sammle viel mehr Informationen, als ihm das Gesetz erlaube. Insbesondere zahlreiche linke Politiker*innen würden x-fach in den Datenbanken auftauchen und tausende Zeitungsartikel und Texte von Internetseiten seien unrechtmässig gesammelt worden. Zudem habe der NDB Gesuche um Akteneinsicht nur unvollständig oder gar nicht beantwortet.
Als im Frühling 2019 aufgrund von Akteneinsichtsgesuchen klar wurde, dass der NDB unter anderem Berner Linksparteien systematisch überwacht, haben die Jungsozialist*innen JUSO und die Alternative Linke AL gemeinsam einen Aufruf gestartet, dass politisch aktive Personen Akteneinsicht verlangen sollten. Laut dem Blick zeigte diese Aktion insofern Folgen, als dass der NDB im Oktober 2019 mitteilte, es seien mit über 450 Gesuchen sechs Mal mehr Akteineinsichtsgesuche eingereicht worden als im üblichen Jahresdurchschnitt. Entsprechend seim man mit der Bearbeitung der Gesuche in Rückstand geraten.
Für die JUSO zeigt dies erneut, dass der NDB seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachkomme. Deshalb fordert sie nun radikale Konsequenzen und verlangt die Abschaffung des Nachrichtendienstes. Laut JUSO-Präsidentin Ronja Jansen müsse man neue Modelle prüfen, so dass die notwendigen nachrichtendienstlichen Aufgaben künftig von einem Gremium durchgeführt würden, welches genauer kontrolliert werde. Die JUSO fordert zudem neue gesetzliche Grundlagen, welche die Überwachung von Personen nur in Ausnahmefällen und nur auf richterliche Anordnung erlauben.
Studierendenschaft fordert mehr bezahlbaren Wohnraum
Am kommenden Wochenende stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Initiative für «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Die Studierendenschaft der Universität Bern (SUB) nutzt diese Gelegenheit, um auf die schwierige Wohnsituation für Studierende aufmerksam zu machen, denn in den vergangenen Jahren sind die Mieten in der Schweiz stark angestiegen. Dieser Trend bedeutet vor allem für Student*innen eine wesentliche Mehrbelastung des Monatsbudgets. Während Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen rund 15 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen, sind es für Studierende durchschnittlich satte 33 Prozent.
Die SUB sieht darin eine klare Benachteiligung. Sie ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit Interesse an einem Studium Zugang haben sollten zu Universitäten und zu günstigem Wohnraum. Studierende, die nebst dem Studium arbeiten und für Ausbildungskosten sowie Lebensunterhalt aufkommen müssen, seien aufgrund des ohnehin schon knappen Budgets erst recht auf günstigen Wohnraum angewiesen, kritisiert die SUB. «Die Doppelbelastung durch Studium und Job ist eine nicht zu unterschätzende Problematik, welche in vielen Fällen ein erfolgreiches Studium massgeblich erschwert oder gar verunmöglicht», sagt Noel Stucki, SUB-Vorstand für nationale Hochschulpolitik gegenüber Radio RaBe.
Die Türkei am Scheideweg
Seit Oktober 2015 wohnte der österreichische Journalist und Aktivist Max Zirngast in der türkischen Hauptstadt Ankara und schrieb für verschiedene Medien unter anderem über die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei. Im Zuge der verschärften Repression der türkischen Regierung gegen jegliche oppositionellen Kräfte wurde Zirngast im Herbst 2018 verhaftet und sass wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation über drei Monate lang im Gefängnis.
Etwa zeitgleich mit seinem Freispruch im Herbst 2019 erschien das Buch «Die Türkei am Scheideweg», eine Artikelsammlung aus journalistischen und politikwissenschaftlichen Analysen verbunden mit persönlichen Erfahrungsberichten von Zirngast und seinen Wegbegleiter*innen. Die Artikel beschreiben den Aufstieg der AKP, die zunehmende Repression und die Etablierung des autokratischen Systems unter Präsident Recep Erdogan. Ebenfalls enthalten sind einige Briefe aus der Zeit von Zirngasts Gefangenschaft.
Laut Zirngast hat der Buchtitel «Die Türkei am Scheideweg» seine Berechtigung bis heute nicht verloren, weil die grossen Tendenzen weiterhin bestehen: Die Möglichkeit einer Entwicklung hin zu einem noch stärkeren autoritären Regime mit oder ohne Erdogan, hin zu einer milden Liberalisierung im Einklang mit dem europäischen und amerikanischen Kapital und der NATO, oder aber hin zu einer genuinen Demokratisierung. Sämtliche Möglichkeiten stünden bis heute im Raum und um sie drehe sich der permanente politische und gesellschaftliche Kampf.
Das Buch «Die Türkei am Scheideweg» ist ein von der Solidaritätskampage #FreeMaxZirngast herausgegebenes Kollektivwerk. Am Dienstag, 4. Februar 2020 spricht Max Zirngast an einer Veranstaltung des Rojava Komitees Bern im Kino der Reitschule in Bern.