Gesunde Ernährung, Bauch-Beine-Po, Achtsamkeit – Lifestyle-Magazine und Online-Blogs sind voll mit Ratschlägen, wie der moderne Mann und die moderne Frau heute à jour bleiben kann und soll. Der Trend zur Selbstoptimierung ist allerdings kein neuer. Birchermüesli, Leibesertüchtigungen und Birkenstöcke kannte man auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Welt um 1900 war laut, schnell und hektisch. Die Urbanisierung sorgte dafür, dass Städte immer grösser und gleichzeitig enger wurde. Durch die Industrialisierung waren ungesunde Arbeits- und Lebensbedingungen geschaffen worden; Arbeiter*innen schufteten fern der Natur in düsteren Fabriken im Akkord und konsumierten Fertignahrung, weil die Zeit zum Kochen fehlte. Dieser neuen und ungesunden Welt stand eine Bewegung von Menschen äusserst kritisch gegenüber: Die Lebensreformer*innen.
Das Bernische Historische Museum hat dieser Bewegung nun die Ausstellung Lebe besser – auf der Suche nach dem idealen Leben gewimdet. In mehreren Kapiteln wird hier beleuchtete, was die Lebensreformer*innen des beginnenden 20. Jahrhundert antrieb.
Zurück zur Natur!
Hier die verdorbene Zivilisation, dort die idealisierte Natur, so das Credo der Lebensreformer*innen. Man las Henry Thoreaus Walden, wanderte in den Alpen, sang dazu Lieder und badete nackt in Seen und Flüssen. Dem ansteigenden Fleisch-, Alkohol- und Zuckerkonsum setzten die Reformer*innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Reformhäuser entgegen. Ausserdem galt es, den eigenen Körper schlank, schön und leistungsfähig zu halten.
Die Bewegung der Lebensreformer*innen gab es nicht nur in der Schweiz, sondern auch im übrigen Europa. Die Schweiz habe dabei eine wichtige Vorbildrolle eingenommen, sagt Historikerin Eva Locher, die zum dreiköpfigen Kuratoren-Team gehört. Dazu beigetragen habe auch die Tatsache, dass Schweizer Vereine nicht den Bruch des Zweiten Weltkrieges erlebt hätten, sondern nahtlos weiter existierten.
Die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum schlägt eine Brücke von den Lebensreformer*innen am Beginn des 20. Jahrhunderts zur heutigen Gesellschaft. Das Ansinnen sei das gleiche, einfach die Begrifflichkeiten hätten sich verändert, sagt Eva Locher. «Heute sprechen wir von Achfsamkeit, Fitness und Gesundheitsprävention.»
Die Ausstellung «Lebe besser – auf der Suche nach dem idealen Leben» ist einer Zusammenarbeit mit dem Bernischen Historischen Museum und der Universität Freiburg ensprungen und ist noch bis 5. Juli im BHM zu sehen.