Wie gehen Menschen damit um, wenn etwas ganz anders herauskommt, als sie es sich vorgestellt haben? Zum Beispiel, wenn das eigene Kind mit einer schweren Behinderung geboren wird? Diese Frage steht im Zentrum von Edgar Hagens neuem Dokumentarfilm Wer sind wir?. Darin begleitet der Basler Filmemacher Helena (19) und Jonas (11), zwei junge Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf.
Die Geschichten der Hauptfiguren machen deutlich: Für Eltern bedeutet eine schwerwiegende Diagnose eine emotionale Achterbahnfahrt sondergleichen, zumal auch die Kommunikation mit dem eigenen Kind anfänglich nur erschwert funktioniert. Es gilt, eine neue Sprache zu lernen, um die Bedürfnisse von Helena und Jonas ergründen und befriedigen zu können.
Zudem beleuchtet Edgar Hagens Dokumentarfilm auch den grundsätzlichen Umgang unserer Gesellschaft mit Menschen, die sich ausserhalb der Norm bewegen. Auch wenn Inklusion und Gleichstellung eigentlich auf dem *Papier garantiert wären, so hapert es mit der Umsetzung in der Realität in vielen Fällen gewaltig, insbesondere auch in Schulen. Mit der Torwiesenschule in Stuttgart, die Jonas besucht, porträtiert Wer sind wir? eine Institution, in der Inklusion auf höchstem Niveau betrieben wird. Das Beispiel zeigt: von einer Durchmischung von Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, körperlicher und geistiger Disponibilität profitieren letztendlich alle. Oder wie es eine der Lehrerinnen der Torwiesenschule formuliert: «Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist ein Stein, der vielleicht dazu führt, dass Menschen besser zu ihren Stärken und Schwächen stehen können, dass sich eine Gesellschaft anders entwickeln kann und wir dann vielleicht auch nicht mehr so viele Feindbilder brauchen.»
«Wer sind wir?» ist ein liebevoller, zugleich starker und wichtiger Film, der einen wesentlichen Beitrag zur Debatte beisteuert, wie wir Normen und Andersartigkeit definieren und weswegen sich ein Überdenken dieser Grenzziehungen mehr als lohnen würde.
Wer sind wir? Läuft im cineMovie, Bern
*2014 hat die Schweiz die Behindertenrechtskonvention der UNO ratifiziert, mit der sie sich verpflichtete, Menschen mit Behinderungen nicht zu diskriminieren und ihre Inklusion und Gleichstellung in der Gesellschaft zu fördern)