Trotz Corona das Asylsystem umbauen, wegen Corona die Macht ausbauen, dank Corona ein Magazin aufbauen – das und mehr heute im RaBe-Info, hier gibt’s ab Mittag den Podcast:
Feuerlöschen und Totalumbau im Bernischen Asylwesen
Es ist zu eng in den Bernischen Asylzentren. Wegen der Corona-Krise will der Kanton Bern möglichst schnell drei neue Zentren eröffnen. Er ist bereits mit Gemeinden im Gespräch und hofft, dass sich diese in der aktuellen Situation solidarisch verhalten. Zudem wurde das künftige, so genannte Rückkehrzentrum für abgewiesene Asylsuchende bereits umfunktioniert, und besonders vulnerable Geflüchtete dort untergebracht.
Gleichzeitig teilte die Bernische Sicherheitsdirektion gestern mit, dass man trotz der Corona-Krise grundsätzlich am Fahrplan festhalten wolle und das Na-Be-Projekt, eine der grössten Umstrukturierungen im Berner Asylwesen, per 1. Juli 2020 umsetzen wolle.
Somit müssten in den kommenden drei Monaten drei neue Rückkehrzentren eröffnet werden, fünf neue Partnerorganisationen müssten die bisherigen kantonalen Partner*innen abgelöst haben, und damit hunderte Dossiers übergeben, hunderte Asylsuchende umplatziert, Leute eingearbeitet, Zentren aufgelöst und neue eingerichtet werden.
Laut dem Bernischen Sicherheitsdirektor Philippe Müller gehe es in der nächsten Zeit vorrangig darum, die Sicherheit der Asylsuchenden und der Betreuer*innen zu gewährleisten. Bei der Inbetriebnahme der Rückkehrzentren werde es sicher Verzögerungen geben, aber Na-Be umfasse ja nicht nur die Umplatzierungen, sondern sei in erster Linie eine neue Aufgabenteilung zwischen der Sicherheitsdirektion SID und der Gesundheits-, Sozial-, und Integrationsdirektion GSI. Inwiefern es bei der Inbetriebnahme der neuen Zentren und bei der Übergabe an die neuen zuständigen Partnerorganisationen zu Verzögerungen komme, kann Philippe Müller derzeit nicht sagen. Grundsätzlich aber halte der Kanton am ursprünglichen Fahrplan fest.
Im Schatten von Corona will Orban seine Macht ausbauen
Ist Ungarn auf dem Weg in die Diktatur? Der rechtsnationalistische Präsident Viktor Orban veröffentlichte am vergangenen Freitag einen Gesetzesentwurf. Laut diesem will er sich vom Parlament die Möglichkeit geben lassen, auf unbeschränkte Zeit per Notrecht zu regieren. Er argumentiert, dass der geplante Erlass helfe, unbürokratisch alle nötigen Massnahmen zu treffen im Kampf gegen das Corona-Virus. Demnach dürfte die Regierung bestehende Gesetze ändern und Wahlen und Referenden würden ausgesetzt, bis der Notstand von Orban selbst wieder aufgehoben wird. Ausserdem enthält das Gesetz einen neuen Straftatbestand, der auf unliebsame Journalist*innen zielt: Personen, welche «die Öffentlichkeit verunsicherten», könnten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Menschenrechtsorganisationen sind alarmiert, darunter auch Amnesty International. Dávid Vig, Geschäftsführer von Amnesty Ungarn, befürchtet, dass die Demokratie nun komplett ausgehebelt werde. Er erklärt, dass manche Beobachter*innen das geplante Gesetz sogar mit dem von der Hitlerregierung 1933 eingebrachten Ermächtigungsgesetz vergleichen.
Literatur für den Lockdown
Daniel Kissling ist eine derjenige Personen, die aufgrund der aktuellen Lage quasi arbeitslos geworden sind. Kissling ist der Geschäftsführer des Kulturlokals Coq d’Or in Olten, das wie alle anderen Veranstaltungslokale vorübergehend hat schliessen müssen. Ausserdem ist der studierte Germanist und Philosoph als Kulturveranstalter und Autor tätig, sowie Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Das Narr.
Kissling will während des ganzen Corona-Stillstandes nicht einfach die Hände in den Schoss legen und der Dinge harren, die da kommen mögen. Deswegen hat er zusammen mit Schriftsteller Benjamin von Wyl kurzerhand Shutdown ins Leben gerufen, ein Literaturmagazin für eine Gemeinschaft im Lockdown.
Insgesamt 30 vorwiegend junge Schriftsteller*innen verfassen für das Magazin, das in gedruckter Form erscheinen wird, Texte unterschiedlichster Natur. «Texte von jetzt für jetzt», wie es Kissling formuliert. Im Unterschied zu Büchern, die sich vielleicht schon länger Zuhause stapeln, soll in Shutdown die Aktualität verhandelt werden.
Momentan sind zwei Ausgaben geplant (Ende März und April 2020), dann sollte nach heutiger Einschätzung der Lockdown beendet sein und entsprechend würde auch Shutdown wieder eingestellt. Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne, um das Projekt zu unterstützen. Es sei ihm ein Anliegen, sagt Daniel Kissling, dass die beteiligten Autor*innen ein Honorar erhalten würden. Schliesslich gehörten freischaffende Leute aus dem Kulturbetrieb zu denjenigen Menschen, die derzeit am stärksten von Ausfällen betroffen seien und teilweise in den nächsten Monaten kein sicheres Einkommen hätten.
Daniel Kissling im Interview mit RaBe: