Im Kampf gegen das Corona-Virus gerät Datenschutz in vielen Zusammenhängen unter Druck. So haben einerseits staatliche Akteure nun per Verfügung Zugriff auf Handy- und andere Daten, andererseits werden im Home Office vermehrt Programme gebraucht, deren Rahmenbedingungen aus Sicht vieler Datenschützer*innen zu wünschen übrig lassen. Das RaBe-Info hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.
Podcast der ganzen Sendung:
«Der Zweck heiligt nie die Mittel»
Seit über drei Wochen befindet sich die Schweiz im Ausnahmezustand, das bedeutet auch, dass die Regierung selbstständig Massnahmen erlassen darf, ohne das Parlament miteinzubeziehen.
Manche dieser Massnahmen betreffen Bereiche, die normalerweise auf Grund des Datenschutzes Tabu wären. So hat das Bundesamt für Gesundheit BAG seit einigen Wochen Zugriff auf Handydaten der Swisscom. Auf Grundlage dieser Werte wollen die Behörden kontrollieren, ob sich die Menschen in der Schweiz an die Regeln des Bundesrates halten, also z.B. ob Ansammlungen tatsächlich vermieden werden.
Laut Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft Schweiz sei die Verwendung dieser Daten ein geeignetes und verhältnismässiges Mittel im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Die zugrundeliegenden Daten seien anonymisiert, so dass keine Personendaten vorliegen würden. Gleichzeitig fordert die Digitale Gesellschaft – zusammen mit Amnesty International und der Stiftung für Konsumentenschutz – in einer Medienmitteilung, dass weitere Überwachungsmassnahmen verhältnismässig sein müssen. Dies gelte auch in der jetzigen «ausserordentlichen Lage».
In diesem Zusammenhang verweisen die drei Organisationen auf das Vorgehen der Behörden im Kanton Aargau, dort darf die Polizei seit vergangener Woche in Echtzeit auf alle Überwachungskameras im öffentlichen Raum zugreifen. Eine derartige Massnahme gehe weit über das Prinzip der Verhältnismässigkeit hinaus und müsse sofort wieder eingestellt werden. Ausserdem bestehe immer die Gefahr, dass solch grosse Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte auch nach dem Ende des Notstandes weitergeführt werden könnten, warnen die drei Organisationen.
Replik auf die Kritik am Videokonferenz-App Zoom
In Zeiten der Corona-Krise ist der Austausch in Gruppen fast nur noch per Videochat möglich. Starken Anklang findet derzeit die Videokonferenz-App Zoom. Sie ist sehr stabil, einfach bedienbar und mit zahlreichen, nützlichen Funktionen für die Arbeit auch in Kleingruppen ausgestattet.
Gleichzeitig aber steht Zoom in letzter Zeit wiederholt massiv in der Kritik. IT-Expert*innen und Datenschützende schlagen Alarm, weil Zoom massenhaft Daten geleakt und Sicherheitsfunktionen ausgehebelt hat, wie das News-Portal Watson ausführlich berichtete.
Marc Ruef, zuständig für die Forschungsabteilung beim Unternehmen für Cyber Security und Informationssicherheit scip AG in Zürich relativiert: Die Summe der Schwachstellen und Mängel bei Zoom sei tatsächlich sehr hoch. Gleichzeitig aber habe das Unternehmen relativ schnell auf die Kritik reagiert und somit bleibe zu hoffen, dass es sich hierbei um «Anfängerfehler» handle, welche künftig nicht mehr auftreten. Zudem seien viele Mechanismen, für welche Zoom derzeit am Pranger stünde, auch bei anderen Plattformen gegeben, wie zum Beispiel die Weitergabe von persönlichen Daten an Werbepartner*innen oder die Möglichkeit, sich via Soziale Medien anzumelden, wobei dort unweigerlich eine Datenweitergabe stattfinde.
«Die schlimmste Software auf dem Planeten», als welche Zoom derzeit dargestellt werde, sei sie nicht. Auf der Website scip.ch hat Marc Ruef zahlreiche Hinweise zusammengestellt, wie man sich bei der Nutzung von Zoom zumindest bedingt schützen kann.
Was Persönlichkeits- und Datenschutz angingen, vertrete er sowieso die wohl eher unpopuläre Meinung, dass diese Vorzüge seit dem Internetzeitalter grundsätzlich der Vergangenheit angehörten. Persönlichkeits- und Datenschutz seien Vorzüge, von welchen wir höchstens noch unseren Enkelkindern erzählen könnten.