Heute sprechen wir im RaBe-Info mit dem Reporter Klaus Petrus über sein Foto-Projekt, bei welchem er unter anderem Drogenabhängige in den Gassen Berns und Biels begleitete und mit der Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming über Pornografie und darüber wie diese aus der Schmuddelecke geholt werden kann.
Den Podcast gibt’s hier:
Unterwegs mit Menschen am Rande der Gesellschaft
Gestern sprachen wir hier im RaBe-Info mit Ruedi Löffel von der Kirchlichen Gassenarbeit über das Leben in den Strassen Berns zu Zeiten von Corona, heute möchten wir das Thema erneut aufgreifen, allerdings mit einer anderen Perspektive.
Klaus Petrus ist Fotojournalist und Reporter, er ist oft in Krisengebieten unterwegs, so z.B. in der Ostukraine, im Nordirak oder im Gazastreifen. Für sein neustes Projekt reiste er jedoch nicht in ferne Länder, sondern porträtierte Menschen am Rande der Gesellschaft hier in der Schweiz. Menschen, die einen grossen Teil ihrer Zeit auf der Gasse verbringen, in Biel und in Bern.
Entstanden ist eine eindrückliche Foto-Reportage in schwarz-weiss, die er dem RaBe zur Verfügung stellt. Einzelne Bilder davon sind auch im neusten Strassenmagazin Surprise zu finden. Dieses freut sich über jegliche Unterstützung – wegen den Corona-Massnahmen kann es derzeit kostenlos online bestellt oder in Bern im Lorraine-Laden LoLa gekauft werden.
Pornoforschung: Eine umstrittene Wissenschaft
Es ist eines der ganz grossen Tabuthemen in unserer heutigen Gesellschaft: die Pornografie und der damit verbundene Pornokonsum. Eigentlich absurd, angesichts dessen, dass das Internet zu über 30 Prozent aus pornografischen Inhalten besteht, täglich Abermillionen von Menschen Pornos konsumieren und wir im Grunde genommen ständig und überall mit sexuellen Inhalten konfrontiert werden.
Über das eigene Konsumverhalten zu sprechen ist jedoch vielen Menschen peinlich und gerade bei Frauen sitzt die Scham besonders tief. «Viele fürchten sich ganz einfach davor, für ihren Pornokonsum verurteilt und stigmatisiert zu werden», erklärt die deutsche Pornowissenschaftlerin Madita Oeming. Schliesslich gelten Pornos nicht nur als sexistisch, sondern auch als ein gefährliches Mittel, das uns abhängig oder gar sexhungrig macht. Vorurteile, von denen die studierte Kulturwissenschaftlerin und Amerikanistin Madita Oeming so gar nichts wissen will.
Seit einiger Zeit forscht und unterrichtet die 33-Jährige an der Universität Paderborn zum Thema „Porn Studies“. Ausserdem schreibt sie derzeit an ihrer Dissertation über Pornosucht als «Moralpanik des digitalen Zeitalters» in den USA. In Deutschland gilt Madita Oeming als eine der wenigen, die offen mit dem Tabuthema Pornokonsum umgeht und es sogar in die Schulen bringen will. Genau deshalb wird die selbsternannte Pornoforscherin jedoch in regelmässigen Abständen angefeindet und bedroht, – so vor allem aus konservativen und rechtspopulistischen Kreisen. Erst kürzlich wurde sie von der rechtspopulistischen Partei AfD wiederholt für ihre wissenschaftliche Tätigkeit angegriffen, nachdem sie in diesem Semester einen Kurs in Berlin gegeben hat unter dem Titel «Porn in the USA». Mundtot machen lässt sich Madita Oeming davon allerdings kaum – im Gegenteil: Je heftiger die Kritik an ihrer beruflichen Tätigkeit wird, desto lauter ist ihre Antwort. Sie will die Gesellschaft ein Stück weit wachrütteln und aufzeigen weshalb die Pornoindustrie nicht zum alleinigen Sündenbock für Phänomene wie den Sexismus gemacht werden kann und weshalb sie oft zu Unrecht als sexistisch, frauenfeindlich und kapitalismusfreundlich eingestuft wird.
Oeming ist davon überzeugt, dass wir gerade in der medialen Berichterstattung viel eher mit sexistischen Weltbildern konfrontiert sind, als in Pornos. Häufig sind Pornos nämlich deutlich weniger sexistisch als ihnen eigentlich unterstellt wird, erklärt Pornowissenschaftlerin Madita Oeming: «Pornografie kann durchaus vielfältig und bunt sein, sofern sie für alle Geschlechter und Vorlieben interessant ist». Mit Begriffen wie „frauenfreundliche Pornos“ tut sich Oeming allerdings schwer. «Das finde ich grauenhaft. Es hat mit Feminismus nichts zu tun und ist sehr sexistisch. Frauen wollen die unterschiedlichsten Dinge sehen und nicht unbedingt etwas anderes als Männer. Aus feministischer Perspektive sollten wir viemehr auf Diversität von Körpern, Geschlechteridentitäten, sexueller Orientierung und Herkunft achten. Das gilt übrigens auch für die Pornoindustrie: der männliche Blick, bei dem der Samenerguss des Mannes im Fokus steht, ist veraltet.»