Heute im Info gibt es spannende Hintergrundrecherchen über die verschiedenen Auswirkungen des Coronavirus. Wir sprechen über rechte Hetze bei Coronagegner*innen, bedrohte indigene Völker in Brasilien und über die Auswirkungen des Virus auf Entwicklungsländer. Den Podcast gibt es hier:
Rechtsextreme wollen Coronagegner für sich gewinnen
Auf online Plattformen und an verschiedenen Demonstrationen sah man immer wieder Verschwörungstheoretiker*innen Seite an Seite mit Rechtsextremen. Unter anderem führte die Polizei am vergangenen Samstag Ignaz Bearth ab, ehemaliger Sprecher der Schweizer PEGIDA-Bewegung. Ausserdem hat der Journalist Fabian Eberhardt aufgedeckt, dass Bearth in einer Chatgruppe rechte Propaganda verbreitet – eine Chatgruppe namens „Corona-Rebellen“ deren gut 2000 Mitglieder «sich über Verschwörungstheorien austauschen, Aktionen planen und Stimmung gegen ihre Feinde machen: Wissenschaftler, Journalisten, Politiker.»
Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtsextreme: Sie beide eint der Zweifel an die Wissenschaft und das Bevorzugen von alternativen Fakten. Innerhalb der rechten Szene gäbe es jedoch keine Meinungseinheit zur Corona zu erkennen, sagt Hans Stutz, langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene in der Schweiz im Interview mit RaBe. Es sei nicht das erste Mal, dass Rechtsextreme versuchten, neue Bewegungen zu untergraben. Es gelänge ihnen aber kaum, viele Anhänger*innen für ihre rassistische und menschenfeindliche Ideologie zu gewinnen.
Kein Schutz für indigene Völker in Brasilien
Brasilien ist drauf und dran zum neuen Epizentrum der Coronapandemie zu werden. Grund dafür ist das chaotische Krisenmanagement der Regierung von Präsident Bolsonaro. In Brasilien leben viele indigene und unkontaktierte Völker, die Organsiation Survival International setzt sich für deren Fortbestehen ein. Laut Koordinatorin Linda Poppe könnten Holzfäller, Goldgräber und Siedler während das Land im Corona-Chaos versinkt, weiterhin ungehindert in die Gebiete der Völker vordringen.
Die brasilianische Regierung unternimmt indessen nichts, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, Präsident Bolsonaro versucht zur Zeit, einen Präsidialerlass, auch bekannt als sogenanntes «Gesetz zum Landraub», durch den Kongress zu bringen. Die Annahme dieser Gesetzesinitiative würde die Legalisierung der seit 2018 begangene Landraube bedeuten. Tür und Tor zur weiteren Zerstörung des Lebensraums der indigenen und unkontaktierten Völker Brasiliens würde aufgetreten.
Als weitere fataler Nebeneffekt, verunmöglicht die Coronapandemie den Völkern Protestaktionen gegen diese Machenschaften durchzuführen. Auch das Virus selbst bedroht die indigenen und unkontaktieren Völker. Durch Landräuber oder Missionare gelangt der Erreger zu den abgeschieden lebenden Völkern. Dort angekommen verbreitet sich dieser Aufgrund der gemeinschaftlichen Lebensweise der Völker rasant. In einigen Gebieten sind Angehörige der Völker durch verseuchtes Wasser oder Vorerkrankungen geschwächt. Der für die Völker verantwortliche Gesundheitsdienst wurde durch die brasilianische Regierung stark gekürzt und der Weg in Krankenhäuser ist oft weit. Durch das Zusammenspiel dieser Faktoren, gefährdet Covid 19 die indigenen Völker in besonderer Weise. Dies nicht nur in Brasilien sondern weltweit.
Das doppelte Leiden der Entwicklungsländer
Das Corona-Virus hält die Schweiz fest im Griff. Was für die Schweiz stimmt, gilt allerdings erst recht für ärmere Länder: Weil vielerorts öffentliche Sozialsysteme und eine flächendeckende Gesundheitsversorgung fehlen, geraten viele Menschen in Entwicklungsländern in existenzielle Nöte. Bereits vor der Gesundheitskrise haben Armut und Hunger in der Welt zugenommen. Doch nun, mit dem Virus, wird sich die Lage nochmals deutlich verschlimmern. Geht es nach der UNO, könnte sich die Zahl der Hungernden bis Ende 2020 verdoppeln.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die verheerenden Auswirkungen der Coronapandemie durch die anhaltende Klimakatastrophe zusätzlich verstärkt werden. In der Sahelregion zum Beispiel leiden schon heute wegen Dürren mehrere Millionen Menschen Hunger. Breitet sich das Virus nun auch in Ländern wie Niger, Tschad, Mali oder Südsudan aus, droht die Ernährungssituation noch prekärer zu werden. Damit rechnet zumindest Patrik Berlinger, Leiter der Fachstelle für Entwicklungspolitik bei der Caritas Schweiz: «Massnahmen zur Eindämmung des Virus lassen sich in einem solchen Fall kaum mehr umsetzen. Und ein Shutdown, wie er in Europa verordnet wurde, wäre eine existenzielle Bedrohung für arme, im informellen Sektor tätige Menschen.»
Angesichts der bereits prekären Klimafolgen stellt der Umgang mit der Corona-Krise diese Länder vor zusätzliche Herausforderungen. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds IWF haben deshalb milliardenschwere Covid-19-Hilfspakete für Entwicklungsländer ins Leben gerufen. Gleichzeitig hat die UNO einen weltweiten Nothilfeaufruf zur Bekämpfung des Virus in 51 Ländern in Südamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien gestartet. Am 30. April informierte der Bundesrat, die Schweiz beteilige sich finanziell und mit Hilfsgütern bei der Bewältigung der Corona-Krise. Bereits jetzt haben DEZA und Seco im Rahmen der bestehenden Budgets laufende Entwicklungsprogramme im Umfang von 100 Millionen Franken angepasst. Ausserdem will man zinslose, rückzahlbare Darlehen für das IKRK, den IWF und weitere Organisationen bereitstellen. In den vergangenen Jahren bewegte sich der Anteil der schweizerischen Entwicklungshilfe (APD) am Bruttonationaleinkommen (BNE) um 0,4% herum. Damit ist die Schweiz weit vom international verankerten 0,7%-Ziel der UNO entfernt.