Im RaBe-Info hinterfragen wir heute die eigentlichen Ursachen für die Unruhen in den USA, die ungenügende Überwachung in Schlachthöfen und weshalb die neusten Massnahmen des Bundesrats das Nachtleben vor riesige Herausforderungen stellen.
Podcast der ganzen Sendung:
Symptombekämpfung in den USA
Die USA versinken in einer Welle der Gewalt. Von Kalifornien bis New York und von Minneapolis bis an die texanische Küste: In mehr als 75 Städten kam es in den vergangenen Tagen zu schweren Ausschreitungen. Auslöser der Proteste ist der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd. Am vergangenen Montag wurde er bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis getötet. Der tragische Tod von George Floyd nährt eine Grundsatzdebatte über die soziale Ungleichheit in den USA und die Unfähigkeit des Präsidenten. Die anhaltende Coronakrise wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger und fördert die sozialen Abgründe zu Tage wie nie zuvor.
Ein Kommentar von Salim Staubli (eingelesen von Lena Lang):
Videoüberwachung in Schlachthöfen
In vielen Schlachthöfen kommt es beim Betäuben und Entbluten der Tiere immer wieder zu Verletzungen des Tierschutzgesetzes, das zeigte unter anderem eine Analyse der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette. Ob eine Schlachtung korrekt durchgeführt wird, unterliegt lediglich einer Selbstkontrolle, der Schlachthofbetreiber ist dafür verantwortlich, die Dokumente prüft dann das kantonale Veterinäramt. «Tiere sind zwar keine Menschen, aber sie sind eben auch mehr als Sachen, das sagt das Schweizer Recht. Deswegen muss hier eine erhöhte Aufsichtspflicht greifen», sagt der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch. Deswegen hat er eine Motion eingereicht, welche die Videoüberwachung von Schlachtbetrieben fordert, morgen Mittwoch wird das Geschäft in der kleinen Kammer verhandelt.
Der Bundesrat hat die Motion bereits zur Ablehnung empfohlen, eine gezielte und kontinuierliche Ausbildung des Personals reiche aus, eine Videoüberwachung sei ein zu grosser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Angestellten. «Überall dort, wo höhere Werte im Spiel sind, so zum Beispiel auch im Verkehrswesen mit Fahrtenschreibern, wird eine strengere Überwachung praktiziert.» argumentiert Jositsch. Folglich müsse es auch zulässig sein, Schlachtbetriebe verstärkt zu überwachen.
Weitere Informationen gibt es auch bei der Stiftung Tier im Recht.
Bundesratsentscheid stellt Nachtleben vor schwerwiegende Herausforderungen
Letzten Mittwoch hat der Bundesrat bekannt gegeben, wie es künftig im Schweizer Nachtleben weitergehen soll. Ab dem 6. Juni sind Veranstaltungen bis 300 Personen und ab dem 24. Juni solche bis 1000 Personen möglich, allerdings nur mit entsprechendem Schutzkonzept. Dieses besagt, dass Clubs um Mitternacht schliessen müssen und dass die Besucher*innen Abstandsregeln einhalten müssen (4m2 / Person). Falls dies aufgrund einer kleinen Clubgrösse nicht möglich ist, müssen Kontaktlisten geführt werden, damit bei Auftreten eines Corona-Falls alle möglichen Infizierten ausfindig gemacht werden können.
Trotz der Lockerungen steht die Musikbranche vor grossen Herausforderungen, wie auch das M4Music-Panel «Corona – wie weiter? Zukunftsszenarien für Popmusik und Live-Kultur» offenbart. Unter der Leitung von SRF-Moderator Andreas Rohrer diskutieren verschiedene Akteur*innen die neue Ausgangslage. Grundsätzlich sei man natürlich froh, dass die Zeichen auf Öffnung stünden, sagt etwa Jonatan Niedrig (Geschäftsleitung von Petzi – Verband Schweizer Musikclubs und Festivals). Allerdings hätten Aussagen von Bundesvertretern auch für grosse Unsicherheit in der Szene gesorgt, weil die Verantwortung auf die Veranstalter*innen abgeschoben würde.
Wie Konzertlokale künftig qualitativ hochwertige Musikshows bieten sollen, dazu aber viel weniger Geld zu Verfügung haben (die 4m2-Regel wird für einen massive Publikumseinbruch sorgen), beschert Kopfzerbrechen. Grosse Produktionen, denen mehrer tausend Leute beiwohnen könnten, seien in absehbarer Zeit nicht möglich, sagt Sandro Bernasconi (Leitung Musik Kaserne Basel & Polyfon Festival Basel). Vielleicht läge also die Zukunft in kleinen Konzerten in intimem Rahmen, bei denen der technische und personelle Aufwand so klein als möglich gehalten werden könne. Das könnte sich als Vorteil für kleine und mittelgrosse Bands erweisen, bloss: was machen dann die grossen Player?
Fakt ist: alle sind froh, dass nun auch Kulturbetriebe von Lockerungen der Massnahmen gegen Corona profitieren können. Das Bedürfnis ist gross, endlich wieder einmal ein Live-Konzert besuchen zu können, oder sich in Ekstase zu tanzen. Fakt ist aber auch: Clubs müssen einen Weg finden, wie sie Anlässe trotz weniger Publikum kostendeckend durchführen können und wie sie einem Publikum tolle Konzertmomente bescheren können trotz Social Distancing und Sperrstunde. Eine Herkulesaufgabe, die künftig noch so einiges an Kreativität abverlangen dürfte.
Das ganze Panel mit Anina Riniker (Co-Festivalleitung & Helfer*innen-Koordination, KleinLaut Festival), Jacqueline Brügger (Präsidentin ISC Club Bern), Jonatan Niedrig (Geschäftsleitung D-CH PETZI – Verband Schweizer Musikclubs und Festivals), Kilian Mutter (Booking Agent, Orange Peel Agency) und Sandro Bernasconi (Leitung Musik Kaserne Basel & Polyfon Festival Basel) kann hier nachgeschaut werden.