Heute im Info: Lebenmittel mit einem unnötig weiten Weg in die Schweiz sowie besonders unnachhaltige Produktionsketten, Migros, Coop und Manor sind für den „Teufelstein“ nominiert. Jeden Tag wird von Krisen berichtet, allerdings nicht von allen – das Norwegian Refugee Council will die westliche Aufmerksamkeit auf vernachlässigte Gebiete richten. Und wir hören nach Belarus, vor 10 Tagen ging Weissrussland an die Urne, seit damals kommt das Land nicht mehr zur Ruhe.
Teufelstein für „Bergkristall“
Wer erhält dieses Jahr den «Teufelsstein» für besonders absurde Transporte? Die Alpen-Initiative nominiert einmal mehr drei Schweizer Unternehmen: Gewürzgurken aus Vietnam im Verkauf bei der Migros, Granatapfelkerne aus Peru, die in Ägypten verarbeitet werden, im Angebot von Coop und der Verkauf von Wasser der Marke «Berg» aus grönländischem Gletschereis durch Manor. Der Schmähpreis will Bewusstsein schaffen für unsinnige Transporte und hält Unternehmen dazu an, ihr Angebot und ihren Produktetransport zu überdenken.
Drei Kandidaten sind auch nominiert im Rennen um den «Bergkristall», der sinnvolle Ideen auszeichnet: Das Gastro-Projekt «kulinarischer Herbst», Live Track und Urban Logistics. Die drei Nominierten tragen mit ihren innovativen Ideen dazu bei, dass Verkehr reduziert, verlagert oder ganz vermieden wird. Durch ein Online-Voting (https://www.alpeninitiative.ch/mitmachen/vote/) kann die Öffentlichkeit nun mitentscheiden, wem diese Preise verliehen werden.
«Wir müssen dafür sorgen, dass die Herstellung von Produkten wieder regionaler wird. Das verkürzt die Transportwege, was dem Klima und auch den Alpen zugutekommt. Regionale Wirtschaftskreisläufe machen uns auch krisensicherer, widerstandsfähiger und flexibler. Und sie schaffen Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort», so Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative.
Der Verein macht sich seit über 30 Jahren für einen umweltverträglichen Güterverkehr stark. Lächerlich tiefe Transportkosten und der Bedarf nach aussersaisonaler Verfügbarkeit von Gemüse und Früchten bringen eine immer grösser werdende Auswahl an fragwürdigen Produkten hervor. Nahrungsmittel sind Dauerbrenner für absurde Transportwege.

Gewürzgurken aus Vietnam, Migros
Die Gewürzgurken werden von Vietnam per Schiff nach Rotterdam und dann per Bahn in die Schweiz transportiert. 18’280 zurückgelegte Kilometer produzieren einen 17 Mal höheren CO2-Ausstoss als Gurken, die in der Schweiz angebaut werden. (Grafik: Alpeninitiative / Scriptum)

Granatapfelkerne aus Peru, Coop
Der Transport der Granatapfelkerne erfolgt von Peru per Schiff nach Ägypten, wo sie verarbeitet werden. Danach gelangen sie per Flugfracht in die Schweiz, von wo sie mit dem Lastwagen den Weg ins Regal finden. Dabei werden 17’590 Kilometer zurückgelegt. Würde man anstelle des Convenience-Produkts zu Schweizer Äpfeln greifen, würde 104 Mal weniger CO2 ausgestossen. (Grafik: Alpeninitiative / Scriptum)

Wasser «Berg» aus grönländischem Gletschereis, Manor
Das Wasser aus geschmolzenen Eisblöcken aus dem Meer um Neufundland wird per Schiff und Lastwagen in die Schweiz gebracht. Mit 9‘602 zurückgelegten Kilometern scheint der Frachtweg massiv kürzer zu sein als derjenige der anderen nominierten Produkte. Beim CO2-Ausstoss erreicht es aber den höchsten Wert. Die Emissionen sind Im Vergleich zum Konsum von Leitungswasser gar 19’244 Mal so hoch. (Grafik: Alpeninitiative / Scriptum)
Vergessene Krisen in den Fokus rücken
Kamerun, Kongo, Burkina Faso – Jährlich werden Millionen von Menschen vertrieben ganz abseits der westlichen Aufmerksamkeit. Um genau solche Krisenregionen doch noch in den Fokus zu rücken, veröffentlicht der Norwegian Refugee Council NRC jährlich eine Rangliste mit den Top 10 der vernachlässigten Krisen .
Die Menschenrechtsorganisation untersucht in diesem Zusammenhang drei Kriterien; Die mediale Berichterstattung, der politische Wille die Situation zu verbessern und die finanzielle Unterstützung von ausserhalb. «Oft sind diese Regionen in einem Teufelskreis gefangen», sagt Michelle Delaney, Mediensprecherin vom NRC. Fehle die mediale Aufmerksamkeit, so ist die internationale Gemeinschaft auch kaum unter Druck, zum Beispiel einen Friedensprozess voranzutreiben. Gibt es kaum Anstrengungen aus dem Westen, so würden die Medien wiederum nur selten über die Regionen berichten. Salim Staubli im Gespräch mit MIchelle Delaney vom NRC:
Eine ähnliche Untersuchung hat auch ein Germanist und Historiker aus Deutschland vorgenommen. Das Radio Corax in Halle hat Ladislaus Ludescher zur medialen Vernachlässigung des globalen Südens befragt.
Stimmen aus Belarus
Vor 10 Tagen ging Weissrussland an die Urne, seit damals kommt das Land nicht mehr zur Ruhe. Schon im Vorfeld gab es viele Anzeichen, dass diese Wahlen nicht so sein werden, wie in den letzten 26 Jahren. Machthaber Alexander Lukaschenko hatte seine Rivalen bisher immer weggesperrt, massive Gewalt angewendet und die Wahlen fälschen lassen. Lange Zeit hat er das Land als Diktator geführt, was zur Auswanderung vieler junger Menschen führte.
Aber dieses Jahr ist es anders: Nachdem die drei aussichtsreichsten Gegen-Kandidaten im Gefängnis gelandet waren, vereinigten sich deren Frauen und Managerinnen zu einer weiblichen Troika, die gemeinsam die Opposition anführt. Viele Belaruss*innen gingen daraufhin zum ersten Mal in ihrem Leben wählen, denn für einmal sahen sie eine echte Möglichkeit zur Veränderung.
Aber: Auch dieses Mal wurden die Wahlen gefälscht. Sie fanden zwar ohne die Teilnahme internationaler Wahlbeobachter statt. NGOs sammelten dennoch Daten, nach deren Auswertung sehr klar wurde, dass das angebliche Endergebnis von 82 Prozent für Lukaschenko nicht stimmen kann.
Als die Menschen in Belarus am Sonntagabend vor den Wahlbüros warteten, um die Herausgabe der Stimmprotokolle zu fordern, wurden sie mit extremer Gewalt zurückgedrängt. Dennoch gingen sie weiter auf die Straße, bauten Barrikaden und schwenkten weiss-rot-weisse Fahnen, die unter Lukaschenkos Regime als Widerstandssymbol verboten waren.
Die Protestierenden in Belarus waren und sind zu jedem Zeitpunkt unbewaffnet und friedlich. Die Solidarität miteinander erstaunt sie am allermeisten, Jahrzehnte waren sie es gewohnt, ihre Meinung grösstenteils privat zu halten. Die Gewalt geht komplett vom Staat aus, es ist die Rede von Verhaftungen und Folter – über 80 Menschen sind vermisst, Hunderte seien schwerverletzt. Aber die frisch erwachte solidarische Gemeinschaft hat sich bisher davon nicht unterkriegen lassen.
Gestern trafen sich Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zu einem Sondergipfel. An einer Medienkonferenz im Anschluss erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die EU das weissrussische Wahlresultat nicht anerkennen wird und die Gewalt gegen Demonstrierende verurteilt.