Wer berichtet, was auf der Welt geschieht? In der Schweiz gäbe es zu wenig Journalist*innen mit Migrationshintergrund, kritisiert das Kollektiv «Neue Schweizer Medienmacher*innen». Zudem geht es im heutigen Info um die neusten Provokationen des türkischen Präsidenten Erdogan. Und, eine Hintergrundrecherche von Radio Onda zeigt massive Missstände auf – Lateinamerikanische Care-Arbeiterinnen erzählen von Ausbeutung in Europa.
Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
Mehr Diversität in Schweizer Redaktionen!
Schweizer Redaktionen seien kaum ein Ebenbild der Gesellschaft, gerade einmal 21 von 909 befragten Medienschaffenden hätten eine andere Muttersprache als die hierzulande üblichen. Dies obwohl rund ein Drittel aller Menschen in der Schweiz Eltern haben, die nicht hier geboren wurden. Dies ist die Ausgangslage in der sich das Kollektiv Neue Schweizer Medienmacher*innen gebildet hat.
Die Folge dieser Unterrepräsentation sei einseitige Berichterstattung: Menschen mit Migrationsgeschichte würden in Schweizer Medien immer noch undifferenziert, rassistisch und problembehaftet dargestellt werden, ihre eigene Perspektive komme selten zu Wort.
Das Ziel der «Neuen Schweizer Medienmacher*innen» sei es nun, Redaktionen vielfältiger zu machen und somit auch einen differenzierteren Diskurs über Migration anzustossen, erklärt Sara Winter Sayilir, Co-Leiterin des Strassenmagazins Surprise, im Interview mit RaBe. Berichten also Journalist*innen mit Migrationsgeschichte automatisch anders?
Säbelrasseln im Mittelmeer
Es ist nicht die erste Provokation Ankaras in diesem Jahr. Erst schickte der türkische Präsident Erdogan Ende Februar Tausende Migrant*innen an die griechische Grenze. Dann entschied im Juli das höchste türkische Gericht, dass die Hagia Sophia, die ehemals wichtigste griechisch-orthodoxe Kirche, wieder als Moschee genutzt werden soll.
Seit einigen Wochen sucht nun eine türkische Flotte nach Erdgas in Gewässern, die der sogenannten «ausschliesslichen Wirtschaftszone» Griechenlands zugerechnet werden. Als Reaktion auf das Vordringen der türkischen Schiffe schickte Griechenland seine eigene Marine in die Region, auch haben sich die EU-Aussenminister vor einigen Tagen geschlossen hinter Griechenland gestellt. Trotzdem lässt sich Präsident Erdogan kaum beeindrucken.
«Die Türkei ist ein energiearmes Land, welches 80% seiner Energie vom Ausland beziehen muss. Derzeit befindet es sich jedoch in einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise und sollte deswegen unbedingt eigene Alternativquellen finden», erklärt Savaş Genç, Türkei-Experte und ehemaliger Professor für internationale Beziehungen an der Fatih Universität in Istanbul. Erdogans AKP versuche aber auch, die Türkei in einer Opferrolle darzustellen, indem sie gegenüber den Wähler*innen die wirtschaftliche Misere als Folge der europäischen Sanktionen erkläre. «Das Vordringen der türkischen Flotte ist nicht in erster Linie ein Thema der Aussenpolitik der Türkei, hier geht es vor allem auch um eine innenpolitische Diskussion», so Genç.
Lateinamerikanische Care-Arbeiterinnen erzählen vom Leben in Europa
In Zeiten einer globalen Pandemie wird plötzlich deutlich, welche Berufe nötig sind, um das wirtschaftliche und gesellschaftliche System aufrecht zu erhalten. Auf einmal wird sichtbar, dass vor
allem Care-Arbeiten besondere Relevanz haben, dazu gehören unter anderem die Betreuung von Kindern, die Kranken- und Altenpflege und die Arbeit im Haushalt. Viele dieser Arbeiten werden in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen von Migrantinnen ausgeführt, welche oft mit klaren Wünschen und Zielen an ihrem neuen Wohn- und Arbeitsort ankommen. Ihre eigenen ökonomischen Lebensbedingungen sowie die rechtliche Situation vor Ort treiben sie jedoch nicht selten in menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse. So erzählt Antonia: «Als ich hier ankam, wurde ich nicht bezahlt. Ein Jahr lang musste ich arbeiten – für Nichts! (…) Was ich in Berlin erlebt habe, war wie moderne Sklaverei.»
Raffaela berichtet: «Sie assen vor meinen Augen und gaben mir nichts zu essen. (…) Dann haben sie gesagt, dass sie mir nicht das ganze Geld geben wollen.» Auch Antonia kennt diese Probleme: «Am Ende kannst du nichts anzeigen, wenn du keine Papiere hast.»
Die Realität vieler Care-Arbeiter*innen weltweit steht somit im Kontrast zu den Zielsetzungen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum sieht beispielsweise vor, „[d]ie Arbeitsrechte [zu] schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, [zu] fördern.“
Maria und Antonia haben als Teil der Gruppe Respect Berlin das Ziel, migrierte Hausarbeiter*innen in der bezahlten und meist privaten Hausarbeit zu organisieren und unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus ihre Arbeits- und Menschenrechte zu verteidigen. Sie kämpfen damit für die Anerkennung der gesellschaftlichen Relevanz der Hausarbeit und ihrer Arbeiter*innen. Die Mitglieder der Gruppe meinen: «Wir haben keine Papiere – aber wir haben Menschenrechte!».
Amalia und Rafaela von Territorio Doméstico aus Madrid berichten von ihren kreativen Protestformen, ihrer Kampagne «Porque sin nosotras no se mueve el mundo» («Denn ohne uns steht die Welt still») und ihrer Selbstorganisation als transnationalen Raum des Kampfes, der Begegnung, der Fürsorge und der Selbstermächtigung: «Deshalb braucht es eine andere Form zu Kämpfen! Der Gesang, die Musik und das Zuhören, die Zuneigung, das Vertrauen und die Liebe, die wir füreinander haben. (…) Wir unterstützen einander, hören einander zu und weinen an der Schulter der Anderen.»
Ein Bericht des Radio Onda.