In der heutigen Infosendung beleuchten wir, wo die Entwicklungszusammenarbeit unter Bundesrat Ignazio Cassis hinführt. Ausserdem blicken wir zurück auf die Geschehnisse vor 20 Jahren, als die rechtsextreme Gruppierung NSU mit dem Mord an Blumenverkäufer Enver Şimşek eine grausame Mordserie startete. Den Podcast zur Sendung gibts hier (ab Mittag):
Wie weiter in der Entwicklungszusammenarbeit
Alle paar Jahre definiert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA seine neue Strategie zur Entwicklungszusammenarbeit. Zum ersten Mal darf nun Ignazio Cassis diese präsentieren. Dabei ist der FDP-Bundesrat nicht unumstritten: So hat er zum Beispiel einen Cheflobbyisten der Nestlé eingestellt, und zwar in einer Direktion, in der dieser für zahlreiche Wasserprojekte zuständig ist. Gegen die Anstellung des Cheflobbyisten wurden sogar Unterschriften gesammelt, eine Petition mit über 40’000 Unterschriften forderte vergeblich, dass Christian Frutiger seinen Posten nicht antreten darf.
Ganz grundsätzlich ist klar: Die geplante Strategie trägt eindeutig die Handschrift des Departementsvorstehers, Cassis setzt vermehrt auf eine enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft.
Morgen nun debattiert der Ständerat über diese neuste IZA-Strategie, also die Strategie zur Internationalen Zusammenarbeit. Vom Bundesrat vorgelegt bekommen hat er ein Papier, das die Entwicklungszusammenarbeit geografisch bündeln will. Neu würde die Anzahl der Schwerpunktländer von 46 auf 35 reduziert werden, ganz wegfallen sollen Projekte in Lateinamerika. Begründet wird dieser Stopp mit der weitgehenden Überwindung der Armut in der Region.
11.25 Milliarden Franken soll die Schweiz in den kommenden vier Jahren für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, das entspricht 0.46% des Bruttonationaleinkommens. Für diesen vergleichsweise kleinen Beitrag wurde die Schweiz in der Vergangenheit bereits von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD kritisiert.
«Die neue IZA-Strategie gibt vor, dass die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor verstärkt werden soll», erklärt Kristina Lanz, die das Dossier Entwicklungspolitik beim Think-and-do-Tank Alliance Sud betreut. «Es ist verständlich, dass viele Organisationen der Zivilgesellschaft Sorgen hatten und teilweise immer noch Sorgen haben, was mit einer engeren Zusammenarbeit gemeint sei», sagt sie im Interview mit RaBe.
Zum Gedenken an Enver Şimşek
Vor fast genau 20 Jahren erschiessen Mitglieder der Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund kurz NSU ihr erstes Opfer. Enver Şimşek war Blumenverkäufer, er wurde 1961 in der Provinz Isparta im Westen der Türkei geboren. Die Gegend ist reich an bunten Blumen, man sagt, dies habe ihn bei seiner späteren Berufswahl inspiriert. 1986 kamen er und seine Frau nach Deutschland und liessen sich im hessischen Schlüchtern nieder.
Am 9. September 2000 vertrat Enver Şimşek einen seiner Mitarbeiter an einem mobilen Blumenstand in Nürnberg. Kurz nach 15.00 Uhr wurde er im Laderaum seines Transporters schwer angeschossen aufgefunden. Die Täter, NSU-Mitglieder, hatten achtmal auf ihr Opfer gefeuert.
11 weitere Jahre konnte der NSU ungehindert weiter morden, weil die Polizei konkrete Hinweise Richtung rechtsextremes Milieu geflissentlich ignorierte. Stets war die Rede von «Abrechnungen unter Migranten», «Organisierte Kriminalität» oder «Beziehungsdelikten». Die Angehörigen und ganze migrantische Communities wurden verdächtigt und von der Gesellschaft stigmatisiert.
43 Mordversuche verübte der NSU, darunter auch einen Nagelbombenanschlag. Der Prozess gegen die Terrorgruppe, welcher vor zwei Jahren zu Ende ging, war für viele Angehörige eine Enttäuschung, denn das Versagen der Behörden wurde ihnen einmal mehr vor Augen geführt.
Radio Corax erinnert 20 Jahre nach seinem Mord an Enver Şimşek – zuerst lässt es seine Tochter Semiya Şimşek zu Wort kommen.