Warum darf Bern keine Menschen aus Camp Moira aufnehmen? Wie kann man Mikroplastik den Kampf ansagen? Und sollen Testosteronwerte Kategorien im Sport bestimmen? Diese und andere Fragen beleuchten wir in der heutigen Info-Sendung. Den Podcast gibts hier:
Bern will helfen, darf aber nicht
Die humanitäre Lage im Flüchtlingscamp Moria sorgte schon lange für Schlagzeilen. Das Lager war stark überbelegt, Flüchtende wurden regelmässig von Rechtsextremen bedroht und die Hygienesituation war absolut unhaltbar. Nun ist das Camp letzte Woche ausgebrannt. 13 000 Menschen haben ihre Unterkunft verloren und sind ihrem Schicksal überlassen – wir haben letzte Woche darüber berichtet.
Eine Woche nach dem Brand ist die Lage immer noch prekär. Die Errichtung eines neuen Camps ist im Gange. Derweil unternehmen einzelne europäische Länder zaghafte Versuche, einige Geflüchtete aufzunehmen. Die Schweiz hat angekündigt, 20 unbegleitete Kinder und Jugendliche aufnehmen zu wollen. Während der Bundesrat zurückhaltend auf die humanitäre Krise reagiert, zeigen sich Schweizer Städte offen solidarisch und würden Menschen aus Moria gerne direkt aufnehmen.
Auch die Berner Stadtregierung und Berner Stadtparlamentarier*innen fordern die direkte Aufnahme von Geflüchteten aus Moria. Laut dem eidgenössischen Departement für Justiz und Polizei EJPD unter Karin Keller-Sutter ist dies jedoch aus rechtlichen Gründen nicht möglich, weil der Bund für die Verteilung von Geflüchteten auf die Kantonen und Gemeinden verantwortlich ist. Sein Einverständnis, dass Gemeinden autonom handeln können, hat das EJPD bis heute nicht gegeben.
Fabian Bracher von der NGO evakuieren-jetzt kritisiert den Bundesrat. Er betont, was die Aufnahme von Geflüchteten durch die Städte verunmögliche, sei keine rechtliche Hürde, sondern mangelnder politischer Wille.
Schweiz soll umfassendes UN-Plastikabkommen vorantreiben
Plastik in den Weltmeeren, Seen und Flüssen; Plastik in den Bergen, Wäldern und Wiesen: Inzwischen gibt es kaum mehr Orte auf der Erde, die nicht von Mikroplastik verunreinigt sind. Gleichzeitig hat es die internationale Gemeinschaft bis heute verpasst, ein umfassendes, rechtlich verbindliches Abkommen gegen die Plastikverschmutzung zu verabschieden.
Deshalb fordern elf Schweizer Organisationen in einem Appell ans Schweizer Parlament, dass die Schweiz bei der Umsetzung eines umfassenden Plastik-Abkommens durch die Vereinten Nationen UNO eine Führungsrolle übernimmt. Durch ihre Erfahrungen und Expertise in multinationaler Zusammenarbeit sei die Schweiz prädestiniert dafür, hier eine aktive Vorreiterrolle zu übernehmen. Da die nächste Umwelt-Generalversammlung der Vereinten Nationen UNO bereits im Februar 2021 ansteht, sei es jetzt Zeit zu Handeln, so Fabienne McLellan, Co-Leiterin Internationale Zusammenarbeit bei der Meeresschutzorganisation Ocean Care.
International existieren bereits einzelne Abkommen zur Verminderung von Plastikmüll. So haben die G20-Staaten im Jahre 2019 ein Abkommen zur Bekämpfung von Plastikmüll in den Weltmeeren beschlossen. Diese erste, explizit dem Plastikmüll in den Meeren gewidmete Vereinbarung sei allerdings nicht verbindlich, wie die Umweltverbände damals kritisierten.
Ebenso existieren bereits einzelne UN-Abkommen, wie zum Beispiel die Basler Konvention, welche strenge Regeln für den Export von Plastikmüll aus den Industrieländern vorsieht, um zu verhindern, dass diese kaum oder nicht recyclierbare Kunststoffe in die Entwicklungsländer exportieren.
Diese Vereinbarungen zur Bekämpfung von Plastikmüll seien jedoch stark fragmentiert. Was es brauche, sei ein umfassendes UN-Abkommen, welches den gesamten Lebenszyklus von Plastik vom Rohstoff bis zum Abfallmanagement abdecke. An der kommenden UN-Umweltversammlung vom Februar 2021 biete sich nun die Möglichkeit, ein Mandat zur Ausarbeitung eines solchen Abkommens zu beschliessen. Dafür müsse sich die Schweiz im Vorfeld der UN-Versammlung einsetzen, so die Forderung der Umweltorganisationen.
Der Fall Caster Semenya
Wann darf eine Sportlerin bei den Frauen starten und wann nicht? Letzte Woche musste sich das Schweizer Bundesgericht mit dieser Frage beschäftigen und kam zum Schluss, dass der Testosteronrichtwert, der vom Leichtathletikweltverband IAAF festgelegt wurde, rechtens sei und somit als Massstab gelte. Läuferinnen, die über Distanzen von 400 Metern bis zu einer Meile starten wollen, müssen ihren Testosteronwert demnach innerhalb einer durchgehenden Periode von mindestens sechs Monaten auf unter fünf Nanomol pro Liter senken. Wenn nötig sollen dazu hormoneller Verhütungsmittel eingenommen werden.
Für die Südafrikanerin Caster Semenya bedeutet dies: Entweder Medikamente schlucken oder Berufsverbot. Caster Semenya vermutet hinter der Diskussion eine Kampagne gegen ihre Person. Seit ihrem Debüt im Jahre 2009 läuft sie sowohl auf 800m als auch auf 1500m so gut wie allen anderen Athletinnen davon. «Ich werde ins Visier genommen, weil ich ungeschlagen bin, weil ich die Beste bin in dem, was ich mache», erklärte sie vor einem Jahr auf einer Konferenz für die Stärkung von Frauenbewegungen in Johannesburg.
«Ich habe das Urteil des Schweizer Bundesgerichtes mit Bedauern zur Kenntnis genommen», sagt Marianne Meier, die am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung unter anderem zu Sport & Gender forscht. Die absolute Chancengleichheit im Sport sei ein Mythos. «Jemand ist grösser, eine andere Person hat grössere Füsse, wieder jemand anderes hatte schon als Kind optimale Trainingsbedingungen. Im Bezug auf das Geschlecht werden Abweichungen hingegen pathologisiert», erklärt sie. Ausserdem sei noch nicht abschliessend geklärt, inwiefern ein erhöhter Testosteronwert einer Athletin tatsächlich einen Vorteil verschaffe.
Noch ist der Entscheid nicht abschliessend, Semenya kann noch vor den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte in Strassburg ziehen.