Ein überparteiliches Kommitee ergreift das Referendum gegen das Anti-Terror-Gesetz und vor 110 Jahren wurde in der Schweiz die grüne Fee Absinth verboten. Wir beleuchten die Hintergründe. Den Podcast gibts hier:
Referendum gegen umstrittenes Anti-Terror-Gesetz lanciert
Monatelang bastelte die Schweiz an dem stark umstrittenen Anti-Terror-Gesetz, das der Polizei fragwürdige Instrumente zur Verfügung stellen will. In seiner Schlussabstimmung vom 25. September hat nun eine Mehrheit des Parlaments die Vorlage definitiv angenommen. Die mediale Berichterstattung darüber hielt sich allerdings in Grenzen. Das erstaunt, denn schliesslich verfügt die Schweiz mit dem Entscheid neuerdings über eines der schärfsten Anti-Terror-Gesetze der Welt. Selbst Kinder können damit theoretisch monatelang ohne Straftat ihrer Freiheit beraubt werden.
Nicht zuletzt aus diesem Grund hagelte es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder massive Kritik von Menschenrechtsorganisationen, zahlreichen Rechtsprofessor*innen und sogar von der EU und der UNO. Ihrer Auffassung nach hat die Schweiz mit dem neuen Gesetz bewusst eine Schwächung der Grundrechte und rechtstaatlichen Prinzipien in Kauf genommen. Worauf diese Meinung basiert, lässt sich erahnen, wenn man einen Blick in die vage formulierte Botschaft des Bundesrats wirft. Dort heisst es: «Die Polizei soll zusätzliche Instrumente bekommen für den Umgang mit terroristischen Gefährdern.» Dazu zählen laut dem neuen Gesetz sowohl Kontaktverbote, als auch Hausarrest und Ausreiseverbote.
Gewisse dieser Instrumente kann die Polizei neuerdings bereits vor oder während einem regulären Strafverfahren anwenden. «Damit öffnet das Gesetz der polizeilichen Willkür Tür und Tor», kritisiert Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen Grünliberalen Schweiz im Gespräch mit Radio RaBe. Gemeinsam mit weiteren Vertreter*innen sitzt Vögeli in einem überparteilichen Komitee, das am 7. Oktober ein Referendum gegen das Anti-Terror-Gesetz lanciert hat. Das Referendumskomitee hat noch bis Mitte Januar Zeit um die benötigten 50’000 Unterschriften zu sammeln.
Als die Grüne Fee im Untergrund leben musste
Heute vor 110 Jahren wurde der Absinth verboten. Das sagenumwobene alkoholische Getränk war lange Zeit unter Bohème und Arbeiterschaft gleichermassen sehr beliebt, vor allem im Paris der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Oscar Wilde soll ihn geliebt haben. Und auch Paul Gaugin und Vincent van Gogh genehmigten sich öfters ein Glas zu viel davon.
Seinen Ursprung hat der Absinth im Val de Travers, einem Tal des Jurabogens im Kanton Neuenburg. Die erste schriftlich belegte Absinth-Rezeptur stammt aus dem Jahre 1797 von der Brennerei Henri Louis Pernod. Die Reblaus, eingeschleppt aus Amerika, machte der Absinth-Produktion jedoch bald einen Strich durch die Rechnung. Der Schädling wurde zur Plage und zerstörte über Jahre hinweg grosse Teile der Weinernte. Absinthmacher*innen mussten somit von Weinbrand auf billigen Industriealkohol umsteigen um weiterhin brennen zu können. Mit verheerenden Folgen: Vom Kultgetränk der Cafés in Paris wurde die Grüne Fee zum Fusel mit schlechtem Ruf.

Die Zeit ist um, die grüne Fee ist tot – Satirisches Plakat von Albert Gantner gegen das Absinthverbot in der Schweiz (aus der Zeitschrift «Guguss», 1910)
Auf Grund einer Volksabstimmung wurde Absinth am 7. Oktober 1910 verboten, über 70% der Stimmbevölkerung stimmten der Prohibition zu. Die Grüne Fee verschwand im Untergrund, aber ganz weg war sie nie, wie Roger Liggenstorfer, Besitzer einer Absinth-Bar in Solothurn erzählt: «Man musste einfach das richtige Codewort kennen. Man hat Pastis bestellt und im richtigen Moment mit dem Auge gezwinkert oder man hat ‚Gletscherwasser‘ oder Juramilch‘ geordert. Wer Absinth haben wollte, hat diesen auch während der 95 Jahre andauernden Prohibition gekriegt.» In einer Reportage des SRF aus dem Jahre 1961 zeigen Schwarzbrenner denn auch ganz ohne Scheu ihre Anlagen, versteckt in Kellern oder hinter Eingängen, die durch Bücherregale verstellt waren.
Die Legalisierung des Absinths 2005 war für viele Schwarzbrenner keine Erleichterung. «Manche sprachen sogar vom zweiten Tod der Grünen Fee», so Liggenstorfer, der auch ein Buch über Absinth mitherausgegeben hat. Der Mythos des Verbotenen war weg, nun musste man sich plötzlich mit Mehrwertsteuerabrechnungen und Alkohollizenzen auseinandersetzen.
Seit März 2005 darf man in der Schweiz wieder legal Absinth herstellen und verkaufen. Ein halbes Jahr später eröffnete Roger Liggenstorfer die Bar «Grüne Fee» in Solothurn.
Auch Arte setzte sich mit der abenteuerlichen Geschichte des Absinths auseinander: