Ein Podiumsmarathon mit den Kandidierenden für den Berner Gemeinderat, ein neues Mädchen-Magazin abseits von Gender-Klischees und eine neue interkantonale Plattform im Kanpf gegen den Menschenhandel. Das sind die Themen im heutigen RaBe-Info.
Podcast der ganzen Sendung:
Gemeinderatskandidaten diskutieren Berner Kulturpolitik
Trotz steigenden Corona-Zahlen war der grosse Saal des Kornhausforums gestern Abend gut besucht, denn die Affiche versprach Spannung: Insgesamt vier amtierende Gemeinderät*innen sowie sieben Kandidat*innen, die bei den kommenden Wahlen gerne in den Gemeinderat gewählt würden, diskutierten unter der Leitung von Bernhard Giger (Leiter des Kornhausforums und Präsident bekult) und Beat Glur (bekult-Geschäftsführer) über Berner Kulturpolitik.
Insgesamt haben sich 16 Personen für die Gemeinderatswahl vom 29. November aufstellen lassen. Ausser Bettina Jans-Troxler (EVP) sowie den Kandidierenden der Liste «Ensemble c’est tout» rund um Stefan Theiler, den einige auch schon als Verschwörungstheoretiker bezeichnet haben und der vor den Türen des Kornhausforums Flyer verteilte, waren alle Anwärter*innen anwesend: Das bürgerliche Bündnis bestehend aus Thomas Fuchs, Bernhard Eicher und Simone Richner, die Mitte-Liste mit Reto Nause, Marianne Schild, Claudio Righetti und Corina Liebi, sowie RotGrünMitte mit Michael Aebersold, Franziska Teuscher, Alec von Graffenried und Marieke Kruit.
Im Zentrum des Wahlpodiums stand die Kulturpolitik der Stadt Bern – zu grossen Überraschungen kam es dabei nicht. Die aktuelle Lage verlange, dass überall gespart werde, sagte Michael Aebersold (SP), Vorsteher der Direktion für Finanzen, Personal und Informatik. Da könne die Kultur nicht ausgenommen werden. Franziska Teuscher (GB) wies darauf hin, dass die 21 subventionierten Betriebe, welche Leistungsverträge hätten mit der Stadt, besser dastehen würden, als die freie Szene. Auch Bernhard Eicher (FDP) brach eine Lanze für die Freie Kultur-Szene. Man müsse bei den grossen Häusern sparen und nicht bei denen, die sowieso schon mit dem Rücken zur Wand stünden. Derzeit werde eine Solidaritätsabgabe diskutiert, sagt Stapi Alec von Graffenried , also dass subventionierte Häuser freiwillig einen Betrag an die freie Szene abtreten würden.
Seit die Stadt Bern im August gedroht hatte, der freien Szene für 2021 die Gelder zu kürzen, ist diese in aller Munde und erfährt auch von bürgerlicher Seite Unterstützung. Das ist toll. Noch toller wäre gewesen, wenn diese Unterstützung schon vorher spürbar gewesen wäre und nicht erst im Wahlkampf ins Zentrum gerückt wird. Und natürlich wäre es ein schönes Zeichen der Solidarität, wenn subventionierte Häuser freiwillig einen Betrag an die freie Szene abtreten würden. Bloss: Würden sie damit nicht Wasser auf die Mühle derjenigen schöpfen, die sowieso schon der Meinung sind, dass subventionierte Kulturbetriebe zu viel Geld bekämen?
Geld, beziehungsweise die Frage, wie die Kulturszene trotz aktuellen Corona-Einschränkungen über die Runden kommen soll, dominierte das gestrige Podium. Simone Richner (FDP) sagte, dass Kulturschaffende jetzt halt einfach kreativ werden müssten und sich andere Formen der Geldbeschaffung aneignen sollten. Corina Liebi (GLP) stiess ins gleiche Horn, indem sie sagte, dass sich Kulturbetriebe nicht einfach auf die Stadt verlassen, sondern selber kreativ werden und zum Beispiel die Digitalisierung nutzen sollten. Das ist einfach gesagt als getan. Abgesehen von Crowdfunding, einer Finanzierungform, die derzeit aufgrund der schieren Menge an Projekten an ihre Grenzen stösst, konnte denn auch keine*r der Podiumsteilnehmenden konkrete Vorschläge liefern, wie genau diese «kreative» Geldbeschaffung funktionieren soll.
Stapi Alec von Graffenried zeigte sich derweilen bemüht, Optimismus zu versprühen: «Wir befinden uns in einer absehbaren Überbrückungsphase, die Pandemie wird irgendeinmal vorüber sein.» Ja, das wird sie. Trotzdem mutet die Aussage etwas platt an. Zum einen ist nicht klar, wie lange unsere Gesellschaft noch mit Corona-Beschränkungen rechnen muss. Dass bereits 2021 oder auch 2022 Kulturbetriebe wieder normal funktionieren können, ist zweifelhaft. Zum anderen wird die Stadt einen grossen finanziellen Verlust auffangen müssen. Mit einem verordneten Sparpaket von 45 Millionen Franken sei es schlichtweg unmöglich, dass die neuen Leistungsverträge, deren Abschluss 2024 ansteht, unangetastet bleiben würden. Das heisst: Konzert Theater Bern, das Bernische Historische Museum und die anderen 19 subventionierten Betriebe werden künftig weniger Gelder zur Verfügung haben. Wenn schon die Grossen bluten müssen, wie wird es dann erst um die kleinen Betriebe stehen, die teilweise jetzt schon ums nackte Überleben kämpfen?
Vieles, was beim gestrigen Wahlpodium angesprochen wurde, klang mehr nach frommem Wunsch als nach konkreten Lösungsansätzen. Dass keine bahnbrechend neuen Strategien aufs Tapet kamen, mag auch damit zusammenhängen, dass das Podium mit 11 Teilnehmer*innen schlichtweg zu gross ist, um thematisch wirklich in die Tiefe gehen zu können. Und doch: Einzelne Aussagen allfälliger künftiger Gemeinderät*innen zeigten, dass diese doch sehr weit weg vom kulturellen Geschehen stehen. Kulturbetriebe können nur bedingt wie «normale» Betriebe nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren. Einfach die Öffnungszeiten zu verlängern, wie es etwa vorgeschlagen wurde, dürfte wohl kaum eine adäquate Lösung sein. Ebenso wenig wie «irgendetwas Digitales».
Wer 2020 immer noch mit Mani Matter hausieren will, wer betont, dass ein Abendessen mit seiner Frau doch auch Kultur sei und wer darauf verweist, dass die Lage in den USA doch noch viel schlimmer sei, mag populäre Meinungen bedienen. Zum Fortbestand des Berner Kulturschaffens tragen diese aber wohl kaum bei.
«Kosmos – Das Magazin für Mädchen (und den Rest der Welt)»
Ponys und Prinzessinnen, Schminktipps und Stars. Wer Hefte für Mädchen und junge Frauen anschaut, mag zum Schluss kommen, dass die feministische Bewegung noch nicht bis in die Schweizer Kioske reicht. Ausserdem stammen solche Magazine oft aus Deutschland oder Frankreich und haben stellenweise wenig mit der Lebensrealität von Mädchen hierzulande zu tun.
Ein neues Projekt möchte dies nun ändern. Kosmos – das Magazin für Mädchen (und den Rest der Welt) will Mädchen zwischen 8 und 13 klischeefrei unterhalten. Von Politik über Wissenschaft und Gesellschaft sollen Themen altersgerecht und humorvoll präsentiert werden, abseits von Gender-Stereotypen, direkt aus dem hiesigen Alltag. «Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Mädchen für einmal nicht um die Aufmerksamkeit kämpfen müssen, sondern der sich einfach voll und ganz ihnen und ihren Interessen widmet», erklärt Laura Simon, Vizepräsidentin des Trägervereins. Das werbefreie Magazin will Mädchen einen Zugang zu ganz verschiedenen Vorbildern ermöglichen, ohne dabei «Geschlecht» ins Zentrum zu stellen. Noch sei die Anschubfinanzierung nicht gesichert, so Simon im Interview mit RaBe, ein Crowdfunding soll nun den Start des Projekts ermöglichen.
«Kosmos» soll alle zwei Monate erscheinen, dabei wird die Einzelausgabe 19.- kosten, ein Jahresabo 99.- Das Schweizer Heft gibt’s gleichzeitig auf Deutsch und Französisch.
Vereinte Stimme gegen Menschenhandel
Verschiedene Opferschutzorganisationen haben sich im Kampf gegen Menschenhandel zusammengeschlossen. Mit der neuen Online-Plattform Traite wollen sie vereint gegen Ausbeutung vorgehen und sich unter anderem auf politischer Ebene für die Rechte von Betroffenen einsetzen. «Vernetzung und Austausch sind uns sehr wichtig», sagt Projektkoordinatorin Anna Schmid im Interview mit RaBe. Gemeinsam sollen Probleme eruiert werden, die in den verschiedenen Kantonen im Zusammenhang mit Menschenhandel auftauchen. Die Schweiz habe zwar die Europäische Konvention gegen Menschenhandel unterschrieben, trotzdem sorge der Föderalismus für einen kantonalen Flickenteppich im Umgang mit Betroffenen.
Ausserdem will «traite» mit dem eigenen Webauftritt auch Informationen für Fachpersonen und Interessierte zur Verfügung stellen.