Mitten im zweiten Corona-Lockdown geht in Frankreichs Hauptstadt Paris der grösste Terror-Prozess je über die Bühne. Seit anfangs September verhandelt das Gericht die Terroranschläge vom Januar 2015. Bei den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt starben insgesamt 17 Menschen. Die 3 Hauptattentäter hatte die Polizei damals erschossen. Vor Gericht stehen 14 Personen, welche bei den Vorbereitungen der Attentate geholfen haben sollen.
Laut der Juristin Noëlle Grossenbacher, welche derzeit in Paris weilt, kann man den Prozess aus vielerlei Gründen als historisch bezeichnen. Erstens ist er sehr gross angelegt, weil es neben dem Staat als Hauptankläger weitere 200 Zivilkläger*innen gibt, unter ihnen die Redaktion von Charlie Hebdo, der Supermarkt «Hypercachier», Überlebende und Angehörige. Zweitens ist der Prozess auch aufgrund seiner Bedeutung hinsichtlich der Zurückgewinnung von Kontrolle und Macht in Frankreich von grosser Bedeutung. Mit einem fairen, aber harten Prozess will der Staat ein Exempel gegen den Terror statuieren. Bedeutungsvoll ist der Prozess aber auch hinsichtlich der Meinungsfreiheit. Der Bewegung «je suis charlie», welche sich nach dem Attentat gebildet hat, ging es in erster Linie darum zu zeigen, dass es in einer liberalen Gesellschaft möglich sein muss, Karikaturen mit sehr provokativen, blasphemischen Inhalten zu veröffentlichen. In dieser Hinsicht hat die Redaktion von Charlie Hebdo zu Prozessbeginn erneut ein deutliches Zeichen gesetzt, in dem sie dieselben Karikaturen, welche damals zum Attentat geführt hatten, nochmals mit der Überschrift «tout ça pour ça» (all das für das) ohne Fragezeichen veröffentlichte.