Die Themen im heutigen Info: Wie Polizei und Staat die Proteste in Chile niederschlagen, wie drei Schauspieler auf der Bühne ihr gemeinsames Jubiläum feieren, sowie eine weitere Folge unserer Stadtrats-Serie «Unorte».
Menschenrechtsverletzungen in Chile
Chile ist eines der reichsten Länder Südamerikas. Doch diesen Reichtum teilen nicht alle, denn Chile ist geprägt von einer starken Ungleichheit. Viele haben keinen Zugang zu guter Bildung und medizinischer Versorgung. Als die Regierung vor einem Jahr den Ticketpreis für den öffentlichen Verkehr anhob, eskalierten Proteste im ganzen Land. Über eine Million Menschen gingen Mitte Oktober letzten Jahres auf die Strasse.
Die Regierung reagierte mit einem Militäreinsatz und Repression. Es war das erste Mal seit dem Fall der Diktators Augusto Pinochets im Jahr 1988, dass das Militär wieder auf den Strassen Chiles patrouillierte.
Amnesty International veröffentlichte soeben einen Bericht über die letztjährigen Proteste. Darin werden etliche Menschenrechtsverletzungen durch chilenische Behörden kritisiert. 18 Menschen wurden bei den Protesten getötet, mehr als 10 000 Demonstrierende verletzt. Dabei erlitten 350 Personen Augenverletzungen – viele von ihnen sind erblindet. 250 Fälle von sexueller Gewalt durch Amtsträger wurden dokumentiert. Dazu kommen etliche Foltervorwürfe.
Die verantwortlichen Gewalttäter blieben bisher zum grössten Teil ungestraft. Deswegen fordert Amnesty eine Reform der Polizei. Seit dem Ende der Militärdiktatur wurde die Polizeistruktur nämlich nicht grundlegend erneuert.
Doch nicht nur die Polizei wurde seit der Militärdiktatur nicht reformiert, auch die Verfassung trägt noch Erinnerungen daran. Eine neue Verfassung ist dementsprechend auch eines der Hauptanliegen der Demonstrierenden. Die Regierung hat auf dieses Anliegen reagiert – diesen Sonntag können die Chilen*innen darüber abstimmen, ob sie eine neue Verfassung wollen.
Die Abstimmung läuft während einer politisch instabilen Phase. Einerseits schreckt das Coronavirus viele Menschen davor ab, an die Wahlurne zu gehen. Andererseits kam es in den letzten Tagen in Chile erneut zu Protesten, bei dem es wiederum zu Polizeigewalt kam.
Das ganze Interview mit Aida Weitzel, Aktivistin bei der chilenischen Studierendenorganisation FECH (auf spanisch).
Alle Bilder stammen von Daniel Barahona
Derblustig und absurdkomisch: Ehemänner
Die Liebe in Männerfreundschaften ist einmalig, das zumindest suggerieren die klassischen Feelgood-Komödien, die Hollywood alle paar Jahre auf den Markt wirft. Letzte Woche feierte im Berner Schlachthaustheater ein Stück Première, das zu Ehren einer solchen Männerfreundschaft geschrieben wurde.
25 Jahre ist es her, seit Nils Torpus, Herwig Ursin und Thomas «Hoschi» Hostettler zusammen die Schauspielschule besuchten. Seitdem sind die drei Freunde und Berufskollegen. Um dieses Jubiläum gebührend zu feiern beauftragte das illustere Trio den nicht minder illusteren Alternativ-Komödianten Johannes Dullin, ihm ein Stück auf den Leib zu schreiben. Herausgekommen ist dabei «Ehemänner» (basierende auf dem Film «Husbands» (1970) von John Cassavete), ein Stück, das aberwitzige, leichte, schwere, alkoholgeschwängerte, pathetische, abstruse und pubertärhumorige Momente vereint und dabei vor allem eines ist: richtig lustig.

Männerfreundschaft fürs Leben: vlnr. Herwig Ursin, Thomas Hostettler, Nils Torpus (Bild: Florian Spring)
In «Ehemänner» kommen drei Freunde zusammen, um den Tod eines vierten zu betrauern. Der Alkohol fliesst in rauen Mengen und sehr schnell steht denn auch nicht mehr der Verstorbenen im Zentrum, sondern die Befindlichkeiten der Anwesenden. Dabei lässt Dullin die Dreierschaft allerlei Unsinn und Schabernack treiben auf der Bühne. So gibt es schamanisch anmutenden Tänze in Unterhosen zu begutachten, Gummipenis und Furzapparat kommen zum Einsatz und mit Inbrunst werden Trinklieder der unterschubladigen Sorte intoniert.
Wie immer in seinen Arbeiten unternimmt Johannes Dullin auch in «Ehemänner» eine Gratwanderung zwischen absurdem Unsinn und tiefgründiger Zustandsanalyse. Dass diese Gratwanderung gelingt und nicht im Absturz endet, ist einerseits dem formidablen Spiel von Torpus, Ursin und Hostettler geschuldet, andererseits auch der Tatsache, dass sich Dullin nicht nur im Pubertärhumorigen ergeht, sondern dass die Lächerlichkeit der drei Anti-Helden, ihr Hadern mit dem Älterwerden und die Angst vor der Endlichkeit mit viel Liebe und Verständnis für die Figuren konstruiert wurde.
Johannes Dullin im Interview mit RaBe:
«Ehemänner», 22. – 24.10.20 jeweils 20 Uhr im Schlachthaustheater Bern
Mit Eva Gammenthaler von der AL beim Berner Rathaus
Am 29. November wählen die Berner Stimmbürger*innen ein neues Parlament. Für den Stadtrat kandidieren insgesamt 532 Personen auf 19 unterschiedlichen Listen für 80 Sitze. Im Rahmen unserer diesjährigen Wahlserie stellen wir bis am 6. November jeden Tag eine Stadtratskandidatin oder einen Stadtratskandidaten vor. Dabei lassen wir alle 15 Parteien, die bereits im Stadtrat vertreten sind, zu Wort kommen. Die Kandidierenden führen uns zu einem Ort in der Stadt Bern, an welchem sie einen Missstand zu beklagen haben – Ein «Unort» sozusagen.
Der Unort von Eva Gammenthaler (Alternative Linke) ist nicht etwa ein optischer Unort, sondern eher ein symbolischer. «Ich möchte nicht einen bestimmten Ort verbessern oder verändern, sondern ich möchte die Politik grundsätzlich umkrempeln», erklärt sie. Für Gammenthaler ist klar, dass es einen radikalen gesellschaftlichen Wandel braucht. Konkret ist es ihr ein Anliegen, dass alle Bewohner*innen der Stadt Bern mitbestimmen können, indem sie ein bedingungsloses Wahl- und Stimmrecht erhalten. Dies sei derzeit nicht der Fall, kritisiert sie.
Die AL-Kandidatin ist beruflich bei der kirchlichen Gassenarbeit tätig und konnte 2019 in den Stadtrat nachrutschen. In der Kommunalpolitik sieht sie die beste Möglichkeit, um soziale Gerechtigkeit auf politischem Weg durchzusetzten. «Gute Infrastrukturen, Bildung, Wohnraum, Nahrung sowie Gesundheit, sind Grundrechte und sollten allen Menschen zur Verfügung stehen», betont sie im Interview mit RaBe.