Die Themen des heutigen Infos: Protestwoche gegen Missstände im Schweizerischen Gesundheitswesen, die Autorinnen Stefanie Grob und Patti Basler zu Gleichberechtigung und eine weitere Folge unserer Serie «Unorte» zu den Berner Stadtratswahlen. Den Podcast gibst hier:
Gesundheitspersonal startet Protestwoche
Die Gewerkschaften VPOD und Syna sowie der Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) führen ab heute mit dem Gesundheitspersonal eine schweizweite Protestwoche durch, um auf Missstände im Gesundheitswesen aufmerksam zu machen. In Zeiten einer zweiten Corona-Welle verlange das Gesundheitsbündnis bessere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, wie es vergangenen Donnerstag mitteilte.
Konkret fordert das Bündnis eine «Corona-Prämie» in der Höhe eines Monatsgehalts für Arbeitnehmende im Gesundheitswesen. Zudem sollen diese mehr Mitspracherecht und besseren Schutz erhalten. «Zu Beginn der Winterperiode wird fast überall in Gesundheitseinrichtungen von Krankheit und Erschöpfung des Personals berichtet», schreibt das Bündnis. Es sei zentral, dass die Ruhe- und Höchstarbeitszeiten des Personals nicht wieder ausgehebelt würden und der Gesundheitsschutz dieses Mal vollumfänglich gewährleistet sei.
Die Proteste sollen am Samstag, 31. Oktober mit einer Aktion auf dem Bundesplatz in Bern enden. Weshalb diese Proteste dringend notwendig sind, erklärt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen (SBK):
Basler und Grob grüssen aus der Küche
Während in Bern kulturelle Veranstaltungen wieder auf Eis gelegt wurden, läuft in Zürich derzeit noch das Literatur-Festival Zürich liest. Gestern Sonntag sprachen dort Bühnenpoetin, Kabarettistin und Protokollantin der Nation Patti Basler, sowie die Spoken-Word-Autorin, Kolumnistin und Performerin Stefanie Grob über die Anthologie «Gruss aus der Küche», sowie über eigene Erfarungen, welche die beiden in einem Arbeitsumfeld machen, das lange Zeit männerdominiert war.
In den Anfängen sei sie manchmal bei Poetry-Slam-Veranstaltungen als einzige Frau zusammen mit zehn Männern aufgetreten, erzählt Stefanie Grob. Dabei sei es auch vorgekommen, dass das Publikum «ausziehen!» skandiert habe. Damit eine solches Missverhältnis nicht entstehe, buche sie heute immer zuerst die Frauen, sagt Patti Basler, welche Poetry-Slams hosted und kuratiert. Die verbleibenden 50% werden dann mit Männern «aufgefüllt».
Patti Basler und Stefanie Grob gehören zu rund 30 Frauen, die Texte beigesteuert haben zur Anthologie «Gruss aus der Küche», über die wir hier bereits ausführlich berichtet haben. Der Titel ist ironisch zu verstehen, drehen sich doch alle Beiträge in irgendeiner Form um das Frauenstimmrecht, das vor 50 Jahren eingeführt wurde. Ihr selber sei mit acht Jahren klar geworden, dass es da offensichtlich einen wesentlichen Unterschied gebe, was man Frauen und Männern zutraue, erzählt Stefanie Grob. Als die Grossmutter die Wahl von Elisabeth Kopp 1984 in die Landesregierung mit einem «das isch doch nüt für ne Frou» kommentiert habe, habe sie realisiert, dass da allefalls berufliche Einschränkungen auf sie zukommen könnten aufgrund ihres Geschlechtes. Patti Basler erzählt, dass sie als Kind davon ausgegangen sei, dass die Frauen der intellektuelle Teil der Bevölkerung ausmache. «Die gescheitesten Menschen in meinem Dorf waren die Lehrerinnen», sagt die Bauerstochter. Dass die gesellschaftliche Zuschreibung aber offenbar gerade andersrum funktioniere, sei eine bittere Erkenntnis gewesen.
Bei der gestrigen Veranstaltung zum Buch «Gruss aus der Küche» waren rund 98% des Publikums weiblich. Dass die erste Wortmeldung von einem Mann erfolgte, der die Frage stellte, warum das Männerstimmrecht im Buch nicht verhandelt werde – einem Buch, das explizit dem 50. Geburtstag des Frauenstimmrechts gewidmet ist – habe sie nicht erstaunt, sagt Stefanie Grob. Es gebe Männer, die Angst hätten, nun ins Hintetreffen zu geraten. Bei der jüngeren Generation scheinen diese Ängste viel kleiner zu sein. «Die Klimabewegung rückt beispielsweise absichtlich Frauen in den Fokus und ins Rampenlicht.»
Patti Basler und Stefanie Grob im Interview:
Unort Bern: Mit Anna Jegher (jA!) auf dem Bundesplatz
Am 29. November wählen die Berner Stimmbürger*innen ein neues Parlament. Für den Stadtrat kandidieren insgesamt 532 Personen auf 19 unterschiedlichen Listen für 80 Sitze. Im Rahmen unserer diesjährigen Wahlserie stellen wir bis am 6. November jeden Tag eine Stadtratskandidatin oder einen Stadtratskandidaten vor. Dabei lassen wir alle 15 Parteien, die bereits im Stadtrat vertreten sind, zu Wort kommen. Die Kandidierenden führen uns zu einem Ort in der Stadt Bern, an welchem sie einen Missstand zu beklagen haben – Ein «Unort» sozusagen.
Der Unort von Anna Jegher ist der Bundesplatz. «Das Verbot von Kundgebungen während der eidgenössischen Session bedeutet, dass der Bevölkerung die Möglichkeit verwehrt wird, ihre Anliegen direkt an National- und Ständerat zu tragen», erklärt sie im Interview mir RaBe. Für Jegher ist jedoch die Partizipation an politischen Entscheidungen von allen Bevölkerungsschichten wichtig, gerade für diejenigen, die ungenügend im Bundeshaus vertreten seien. «Für Minderjährige und Menschen ohne Schweizer Pass ist eine Demonstration eine der wenigen Möglichkeiten, wie sie ihre politische Meinung kundtun können», so die Kandidatin der Jungen Alternativen jA!