Wir sprechen über Donald Trumps Frontalangriff auf die Demokratie, beleuchten die Argumente der Befürworter*innen der Konzernverantwortungsinitiative und begleiten Stadtrats-Kandidatin Sarah Rubin (GB) an ihren persönlichen Unort Oberbottingen. Den Podcast zur Sendung gibts hier:
Trumps Frontalangriff auf die Demokratie
«Democracy Dies in Darkness». Der Slogan der Washington Post, den die US-amerikanische Tageszeitung im Februar 2017 nach Donald Trumps Amtsantritt abdruckte, ist aktueller denn je. Die gestrige Drohung von Donald Trump, die weitere Auszählung von «zu spät» eingetroffenen Stimmen gerichtlich stoppen zu wollen, stellt einen fundamentalen Angriff auf die innersten Werte der Demokratie dar. Der US-Präsident treibt damit nicht nur seine Verachtung für das politische System auf die Spitze, sondern ignoriert auch grundsätzlich den Volkswillen, dass in den USA freie und faire Wahlen stattfinden können. Ein fatales Signal – nicht nur an die Adresse der USA, sondern an die ganze Welt, denn die US-Demokratie gilt seit ihrer Gründung im 18. Jahrhundert als leuchtendes Vorbild – wenn sie auch ihre Schwächen haben mag.
»Wir werden vor das oberste Gericht ziehen. Denn wir wollen alle, dass die Wahl nun endlich gestoppt wird. Wir wollen nicht, dass sie um vier Uhr morgens noch Wahlzettel auswerten.«
– US-Präsident Donald Trump
Um ein Zeichen zu setzten gegen die Demokratieverdrossenheit des US-Präsidenten, wurden in der Nacht auf heute weltweit spontane Mahnwachen und Kundgebungen abgehalten. So auch in Bern und in Zürich, wo die Mahnwachen unter dem Slogan #HonourEveryVote stattfanden. «Die Demokratie ist in unserem westlichen Verständnis die beste Legitimation der sozialen Ordnung. Dieses Verständnis wird durch die aktuellen Vorgänge in den USA in seinen Grundfesten erschüttert», so Angelina Dobler, Campaignerin bei Campax und Mitorganisatorin der Mahnwache in Bern. «Gerade in der Schweiz, einer Demokratie nach amerikanischem Vorbild, dürfen solche Vorgänge nicht ohne klare Stellungnahme hingenommen werden.»
Mittlerweile sammeln sowohl Donald Trump als auch Joe Biden im Internet Geld, um allenfalls die Präsidentschaftswahl vor Gericht auszutragen. Der auf einer Internet-Plattform eingerichtete «Biden Fight Fund» solle das Wahlergebnis schützen, twitterte Biden. Der gleichen Argumentation bediente sich Trumps Wahlkampfteam in zahlreichen E-Mails an seine Unterstützer*innen.
Konzernverantwortungsinitiative: Die Argumente der Initiant*innen
Tausende orange Flaggen hängen überall in der Schweiz an den Balkonen, aus den Fenstern und an den Fahrrädern. In Städten genauso wie auf dem Land. Am 29. November 2020 kommt die Konzernverantwortungsinitiative nun nach jahrelangen politischen und parlamentarischen Verhandlungen endlich zur Abstimmung.
Die Initiative fordert, dass Schweizer Unternehmen auch für im Ausland begangene Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen haften müssen. Im Visier haben die Initiant*innen dabei Unternehmen wie Glencore oder Syngenta. Sie prangern an, dass diese Konzerne im Ausland mit in der Schweiz verbotenen Pestiziden Bienen töten, Flüsse vergiften oder Indigene gewaltsam vertreiben. Mit einer Sorgfaltsprüfung sollen die Konzerne dazu verpflichtet werden, Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten – und zwar in sämtlichen Geschäftsbeziehungen sowohl im In- als auch im Ausland. Bei einer Annahme der Initiative müssten sie künftig also die Auswirkungen ihres Handelns ermitteln und je nach Risiko Massnahmen ergreifen. Über das Ergebnis der Sorgfaltsprüfung müssen sie abschliessend Bericht erstatten.
Ersten Umfragen zufolge hat die Initiative gute Chancen von der Stimmbevölkerung angenommen zu werden. Denn die Zustimmung ist nicht nur im linken, sondern auch im bürgerlichen Lager ausgesprochen gross. Bundesrat und Parlament hingegen lehnen die Initiative entschieden ab. Nach langem Hin und Her haben sie sich letztendlich auf einen abgeschwächten Gegenvorschlag geeinigt. Dieser sieht vor, dass Schweizer Unternehmen künftig mehr Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten wahrnehmen müssen – Im Gegensatz zur Initiative enthält er aber keine Haftungsbestimmungen. Weil die Initiant*innen dies als ungenügend betrachten, haben sie sich letztendlich gegen einen Rückzug der Initiative ausgesprochen und so kommt es nun zum alles entscheidenden Urnengang.
Geht es nach Seraina Patzen, Mitarbeiterin und Koordinatorin der Initiative, ist der abgeschwächte Gegenvorschlag nichts anderes als «ein Papiertiger, der von den Unternehmen nur das verlangt, was sie heutzutage bereits von sich aus machen».
Die Gegner*innen der Konzernverantwortungsinitiative haben wir bereits in der Sendung vom 2. November zu Wort kommen lassen. Ihre Argumente können hier nachgehört werden.
Unort Bern: Mit Sarah Rubin (GB) in Oberbottigen
Am 29. November 2020 wählt die Stadt Bern ein neues Parlament. 530 Kandidat*innen bewerben sich um 80 Sitze. Im Rahmen unserer Wahlserie stellen wir täglich eine*n Kandidat*in vor, deren Partei bereits im Rat vertreten ist. Wir treffen die Kandidierenden jeweils an ihrem persönlichen «Unort», sprich an einem Ort in der Stadt Bern, wo sie einen Missstand beklagen und etwas verändern möchten.
Sarah Rubin vom Grünen Bündnis GB wählte den Stadtteil Oberbottigen am äussersten westlichen Rand von Bern. Der Blick schweift frei über Bauernhöfe und Felder, im Hintergrund thronen die Berge auf der einen und das Westside auf der anderen Seite. Das Naherholungsgebiet der Stadt Bern ist hier jedoch stark von industrieller Landwirtschaft geprägt. Felder mit Monokulturen reihen sich aneinander, kaum unterbrochen von Hecken oder grösseren Bäumen, entsprechend auch von geprägt von einer geringen Biodiversität. Diese Biodiversität auf den landwirtschaftlichen Flächen der Stadt zu fördern, ist laut Sarah Rubin essenziell, da sich die Gesamtanzahl der Insekten beispielsweise seit den 1960er Jahren schweizweit um die Hälfte reduziert habe. Da der Boden dort zumindest teilweise der Stadt gehört, könnte sie unter anderem via Pachtverträge die biologische Landwirtschaft fördern.
Bis heute existiert laut Sarah Rubin auf städtischer Ebene kein umfassendes Konzept zur Förderung der Biodiversität auch in den landwirtschaftlich genutzten Randgebieten. Als Vorbild könnte der Stadt das Projekt das Grüne Band der Gemeinden Köniz und Kehrsatz dienen, welches einen Grünraumkorridor zwischen dem Siedlungs- und dem Landwirtschaftsgebiet vorsieht.