Die Stadt Bern setzt den Rotstift an: Aufgrund der aktuellen Krise und tieferen Steuereinnahmen rechnet sie für das nächste Jahr mit einem Defizit von rund 40 Millionen Franken. Auch für die kommenden Jahre sieht es wenig rosig aus. Diese Defizite lassen sich kurz- und langfristig lediglich mit umfangreichen Sparmassnahmen bewältigen.
Bereits im Frühling schnürte der Gemeinderat ein erstes Sparpaket. Anfang Juni gab er dann die detaillierten Zahlen zu den geplanten Entlastungsmassnahmen in den einzelnen Direktionen bekannt. In der Zwischenzeit hat das städtische Parlament diese nochmals überarbeitet, teilweise rückgängig gemacht, teilweise aber auch grössere Kürzungen vorgenommen.
Im Budget 2021 sind nun Einsparungen in der Höhe von 20 Millionen Franken vorgesehen. Dieses Budget steht am 29. November zur Abstimmung. Gleichzeitig wählt die Stadt Bern ein neues Parlament und eine neue Regierung.
Im Vorfeld der Berner Gemeinderatswahlen vom 29. November sprach das RaBe-Info deshalb mit den amtierenden und neuen Gemeinderatskandidat*innen über die aktuellen und kommenden Sparmassnahmen.
Sparen in der Präsidialdirektion
Stadtpräsident Alec von Graffenried ist Vorsteher der Präsidialdirektion. Diese vereint ganz unterschiedliche Ämter: Da gibt es einerseits die Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann oder die Kultur Stadt Bern, andererseits aber auch die Denkmalpflege, das Wirtschaftsamt oder das Stadtplanungsamt.
«Es fehlt nicht am Geld, es fehlt an der Ausgabendisziplin», erklärt von Graffenried. Im Vergleich zum Vorjahr wird seine Direktion im kommenden Jahr 800’000 Franken einsparen.
Sparen in der Finanzdirektion
Potential für Sparmassnahmen sieht Michael Aebersold in seiner Direktion für Finanzen, Personal und Informatik vor allem im Personal- und im Baubereich. «Es geht momentan darum Massnahmen zu beschliessen, die entweder das Personal betreffen oder den baulichen Unterhalt von städtischen Immobilien. Nur auf diesem Weg können wir eine Neuverschuldung der Stadt vermeiden und das hat für mich oberste Priorität», betont der Finanzdirektor im Gespräch mit RaBe.
Natürlich habe der Gemeinderat auch die Möglichkeit einer Steuererhöhung geprüft. Angesicht der gegenwärtigen Krisensituation sei allerdings rasch klar gewesen, dass eine Steuererhöhung derzeit keine Option darstelle. «Ein solches Szenario, wie wir es derzeit beispielsweise in der Gemeinde Köniz beobachten, wollen wir hier in Bern unbedingt vermeiden», so Aebersold. «Ich werde alles daran setzen, dass wir die Steuern nicht erhöhen müssen, sondern dass wir den Finanzhaushalt mit präzisen Investitionen wieder ins Gleichgewicht bringen».
Sparen in der Direktion für Bildung, Soziales und Sport
Bei der Ausarbeitung der Sparmassnahmen der Direktion für Bildung, Soziales und Sport Direktion habe sie stets ein wichtiges Prinzip angewandt, erklärt Gemeinderätin Franziska Teuscher: «Wir sparen dort, wo man diese Massnahmen auch schnell wieder korrigieren kann.» Als Beispiel nennt sie die Kürzungen bei den Unterstützungsbeiträgen an Sportvereine. Hier habe man nicht einfach ganze Angebote gestrichen, denn diese in besseren Zeiten wieder aufzubauen, sei keine leichte Aufgabe. Neu könnten Sportvereine aber beispielsweise nicht mehr von reduzierten Preisen bei Turnhallenmieten profitieren. Ein Angebot, welches erst seit zwei Jahren existiert.
Sie wolle auf keinen Fall, dass die Stadt auf dem Buckel von Menschen spare, die sowieso schon am Rande der Gesellschaft seien, sagt Franziska Teuscher im Interview mit RaBe.
Sparen in der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie
Die Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern von CVP-Gemeinderat Reto Nause traf die erste Sparrunde besonders heftig. Das von seiner Direktion geschnürte Sparpaket wurde vom Stadtrat noch zusätzlich verschärft. Dabei schmerzen Reto Nause insbesondere die Streichung der städtischen Unterstützung des Lichtspektakels auf dem Bundesplatz, welche er als wichtige Einnahmequelle für das Berner Gastgewerbe erachtet und die zusätzlichen Kürzungen beim Tierpark Dählhölzli, welcher in den letzten Jahren schon mehrmals von Kürzungen betroffen gewesen sei
Reto Nause sieht im aktuellen Defizit im städtischen Budget von rund 40 Millionen Franken auch eine Folge der seit Jahren bestehenden starken rotgrünen Mehrheit im Gemeinderat. Während gleichzeitig stockender Einnahmen seien in den letzten Jahren rund 100 Stellen neu geschaffen worden. Es habe sich eine «Selbstbedienungsmentalität» etabliert, welche nun korrigiert werden müsse. Trotz finanzieller Schieflage spricht sich Nause deutlich gegen Steuererhöhungen aus. Die Stadt müsse sich nun insbesondere darauf konzentrieren, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen und das vertrage sich nicht mit höheren Steuern.
Sparvorschläge von SP-Gemeinderatskandidatin Marieke Kruit
Bei den Wahlen vom 29. November könnte das RGM-Bündnis erstmals seit langem einen Sitz in der Stadtregierung an die Bürgerlichen verlieren. Die Mehrheit dürfte es jedoch verteidigen – nach bald dreissig Jahren an der Macht.
Entscheidend wird sein, ob die SP den Sitz von Ursula Wyss weiterhin für sich entscheiden kann. Verliert sie diesen Sitz, dann wäre die wählerstärkste Partei der Stadt Bern (28,7%) künftig nur noch mit einer Person im Gemeinderat vertreten. Um dieses Szenario zu verhindern, hat die SP eine Person ins Rennen geschickt, die zwar bislang eher unauffällig blieb, dafür aber über viel Führungserfahrung und interessante Mandate verfügt.
Marieke Kruit kam als Kind aus den Niederlanden in die Schweiz zur Welt und wuchs im Berner Oberland auf. Mit zwölf Jahren wurde sie eingebürgert. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde sie als Moderatorin des Fernsehsenders TeleBärn, bei dem sie 10 Jahre lang vor der Kamera stand, bevor sie sich beruflich noch einmal umorientierte und als Psychologin zu arbeiten begann. In den Berner Stadtrat gewählt wurde sie Ende 2012.
Im Gespräch mit RaBe erklärt sie, wer sie eigentlich ist, wie sie den Sitz der SP gegen die Bürgerlichen verteidigen will und was zu tun ist, damit die Stadt Bern nicht noch tiefer in die roten Zahlen rutscht.
Sparvorschläge von SVP-Gemeinderatskandidat Thomas Fuchs
Für die Wahlen vom 29. November muss sich das RGM-Bündnis stärker ins Zeug legen als bei vergangenen Wahlen. Denn die bürgerlichen Parteien, bestehend aus SVP und FDP, haben ein klar formuliertes Ziel: Sie wollen einen Sitz im Berner Gemeinderat zurückerobern. Ins Visier nehmen sie dabei den frei werdenden Sitz von SP-Gemeinderätin Ursula Wyss. Nach 8-jähriger Tätigkeit in der Stadtregierung hat sich Ursula Wyss dazu entschieden, bei den diesjährigen Wahlen nicht mehr anzutreten.
Spitzenkandidat der Bürgerlichen ist derweil ein alter Bekannter: SVP-Hardliner Thomas Fuchs. Er ist überzeugt, dass die Chancen für einen bürgerlichen Sitzgewinn im Gemeinderat so gut stehen wie schon lange nicht mehr. Doch was genau stimmt ihn da so zuversichtlich? Und weshalb sieht sich Thomas Fuchs als geeigneten Kandidaten für das Exekutivamt?