In der heutigen Info-Sendung blicken wir zurück auf das vergangene Wahl- und Abstimmungswochenende und fragen, wie es nach der Niederlage der Konzernverantwortungsinitiative weitergehen soll. Den Podcast zu Sendung gibst hier (ab Mittag):
RGM triumphiert – Bürgerliche fahren historische Niederlage ein
Trotz gemeinsamer Listenverbindung verpassen SVP und FDP den Wiedereinzug in die Stadtregierung überraschend klar. Entgegen den allgemeinen Prognosen und Erwartungen konnte das Wahlbündnis von Rot-Grün-Mitte (RGM) seine vier Sitze im Berner Gemeinderat erfolgreich verteidigen und seinen Wähleranteil sogar um fast zwei Prozent auf insgesamt 63.7 Prozent ausbauen. Trotz Finanzkrise und Unstimmigkeiten rund ums Budget 2021 waren die Berner Stimmbürger*innen offenbar gewillt, der Rot-Grünen Regierung erneut ihr Vertrauen auszusprechen.
Einen weiteren Grund für die erfolgreiche Sitzverteidigung sieht Politologe und Statistikexperte Werner Seitz im soliden Aufbau von Newcomerin Marieke Kruit (SP), die auf die zurücktretende Ursula Wyss folgt. Werner Seitz gilt als Erfinder des RGM-Bündnis, welches mittlerweile seit fast 30 Jahren existiert und ist seit Jahren fester Bestandteil des RaBe-Wahlberichterstattungsteams. In der abschliessenden Wahlanalyse stand er Roger Spindler und Michael Spahr am Sonntagabend Red und Antwort.
Konzernverantwortung scheitert am Ständemehr
Kaum eine Initiative sorgte für so heftige Debatten und wurde so viele Male zwischen National- und Ständerat hin- und hergereicht wie die Konzernverantwortungsinitiative.
Vor über 4 Jahren wurde sie eingereicht, gestern nun ist der lange Kampf mit einem haudünnen Resultat zu Ende gegangen. Obwohl mit 50,7 Prozent die Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung will, dass Schweizer Konzerne für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden stärker in die Pflicht genommen werden, ist die Konzernverantwortungsinitiative am Ständemehr gescheitert. 14,5 mehrheitlich Deutschschweizer Kantone haben die Initiative abgelehnt.
Laut Andreas Missbach, Bereichsleiter Rohstoff und Finanzen bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye und Mitglied des Initiativkomitees wertet das Resultat dennoch als grossen Erfolg. Nie zuvor habe die Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung einer internationalistischen Initiative zugestimmt, welche sie in ihrem Alltag kaum betreffe. Die Gründe für das verpasste Ständemehr sieht Missbach sowohl in der starken Kraft der konservativen Strömungen in den kleinen Deutschschweizer Kantone als auch an der ebenso starken wie zwiespältigen Rolle von Justizministerin Karin Keller-Suter nicht nur während der Parlamentsdebatte, sondern auch im Abstimmungskampf. Keller-Suter habe bewusst Unwahrheiten verbreitet, wofür sie weitum kritisiert wurde, unter anderem auch von einigen Rechtsexperten im Rahmen eines Kommentars in der NZZ.
Mit dem Nein zur Initiative tritt nun der indirekte Gegenvorschlag in Kraft, welcher nur sehr eingeschränkte Sorgfaltsprüfungspflichten und Haftungsregeln für im Ausland tätige Schweizer Unternehmen vorsieht. Das Initiativkomitee hofft indes, dass durch den diesbezüglich aktuell progressiven Kurs der EU-Kommission die Schweiz schon bald erneut unter Druck gerate, die Vorgaben zur Konzernverantwortung auch hierzulande zu verschärfen.