Sie lügt sie wie gedruckt, erzählt Phantasiegeschichten und führt Erwachsene mit ihren scheinbar harmlosen Bemerkungen ständig und überall an der Nase herum. Keine Romanfigur des 20. Jahrhunderts hat die Kinderliteratur so stark beeinflusst wie «Pippi Langstrumpf».
Seit ziemlich genau 75 Jahren galoppiert sie mittlerweile durch die Kinderzimmer dieser Welt, bricht sämtliche Regeln und nervt die Autoritäten. Insofern ist Pippi Langstrumpf, zumindest im bürgerlichen Weltverständnis, kein gutes Vorbild. Mit ein Grund dafür, weshalb ihre Schöpferin Astrid Lindgren bereits zu ihrer Verteidigung ansetzte, ehe das Manuskript überhaut beim Verlag angelangt war: «Meine Kinder haben sofort verstanden, dass Pippi ein Einzelfall ist, der normalen Kindern kein Vorbild sein kann», schrieb die Autorin 1945 in einem Begleitbrief, in dem sie den Verlag darum bat, man möge nicht das Jugendamt alarmieren.
Trotz allem wird Pippi Langstrumpf von der breiten Gesellschaft bis heute ein gewisser „Vorbildcharakter“ attestiert. Geht es nach Inger Lison, Jugendliteraturexpertin an der TU Braunschweig, gibt es dafür mehrer Gründe: «Pippi verfügt durch ihre Stärke und ihr Können über sehr viel Macht, die sie aber keineswegs missbraucht, sondern stets im positiven Sinne einsetzt. Zudem hat Astrid Lindgren mit der Figur eine Parodie des gängigen Schönheitsideals geschaffen, was ebenfalls eine Entlastungs- und Vorbildfunktion hat.»
Pippi Langstrumpf ist aber nicht nur schrill und revolutionär, sondern auch eine Symbolfigur für die weibliche Emanzipation. Und sie hat massgeblich dazu beigetragen, dass Kinder heutzutage wieder stärker sich selber sein dürfen. Kurz und knapp: Pippi ist bis heute unerreicht und sorgt auch 75 Jahre nach ihrer Schöpfung noch für glänzende Kinderäuglein.
Weshalb dem so ist, erklärt Inger Lison, die auch Leiterin der Astrid-Lindgren-Datenbank und Autorin beim Onlineportal KinderundJugendmedien ist, im Gespräch mit RaBe: