Vor ihnen hatten nur Putzfrauen das Männerheiligtum Nationalratssaal betreten dürfen – entsprechend gross war die Aufmerksamkeit, die den 12 Frauen entgegengebracht wurde, die im November 1971 ihren Job als National- bzw. Ständerätin in der Männerdomäne Bundeshaus antraten. Im Bernischen Historischen Museum gäbe es derzeit eigentlich eine Ausstellung, die diesen Polit-Pionierinnen gewidmet ist. Aufgrund der Pandemie ist sie aber nicht besuchbar. Dafür gibt die Kuratorin der Ausstellung, Fabienne Amlinger vom Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern im Podcast Gaffeepouse Auskunft über Hintergründe zur Ausstellung Frauen ins Bundeshaus! 50 Jahre Frauenstimmrecht.
Im europäischen Vergleich war die Schweiz eine Nachzüglerin, als sie 1971 das Frauenstimmrecht einführte. Unweigerlich stellt sich die Frage: Warum erst so spät? Fabienne Amlinger sieht mehrere Gründe dafür. Zum einen hätten damals nur Männer darüber abstimmen dürfen, ob künftig auch Frauen an die Urne dürften. Hinzu kommt, dass das föderalistische System der Schweiz dazu führte, dass die Frauenrechtler*innen an verschiedenen Fronten gleichzeitig aktiv sein mussten, wobei die eher kleine Gruppierung aufgrund von Sprach-, Konfessions- oder Parteigrenzen nicht in sich geschlossen war.
Ein weiterer Grund: Während sich viele europäische Länder nach einer Kriegs- oder Krisensituation durch eine neue Verfassung inklusive Frauenstimmrecht einen demokratischen und progressiven Anstrich geben wollen, habe man in der Schweiz dafür keine Veranlassung gesehen, sagt Amlinger. «Die Schweiz zelebrierte sich als Wieger der Demokratie.»
Das Frauenstimmrecht sei im Alltag schlichtweg kein Thema gewesen, sagt der 92-jährge Rudolf von Werdt in einer weiteren Folge von «Gaffepouse». Von Werdt erlebte beide Abstimmungen: die erste 1959, die abgelehnt wurde, und die zweite erfolgreiche des Jahres 1971. Der Grund, weswegen im Alltag nicht breit über das Frauenstimmrecht diskutiert wurde, dürfte auch in den stereotypen Rollenzuweisungen liegen, die in den 1960er-Jahren noch gang und gäbe waren. In der Schweiz habe eine sehr konservative Vorstellung geherrscht, was sich für Männer und was sich für Frauen gehöre, sagt Amlinger. Männern wurden nach dieser Auffassung die rationale Rolle und der öffentliche Raum zugeordnet, Frauen seien emotional und für Haushalt und Kindererziehung zuständig. «Aufgrund dieser Rollenzuteilung wurde auch behauptet, Frauen seine nicht für Politik geeignet.»
Den Podcast Gaffeepouse des Bernischen Historischen Museums zur Ausstellung «Frauen ins Bundeshaus! 50 Jahre Frauenstimmrecht» gibt’s hier zu hören.