Während die Schweizer Wirtschaft als gesamtes unter der Corona-Krise leidet, florieren die Geschäfte von Kriegsmaterial-Herstellern. Derweilen tobt im Jemen ein vergessen gegangener Krieg, der von der UNO als schlimmste humanitäre Katastrophe bezeichnet wird. Den Podcast zur Sendung gibts hier:
Rekordhohe Waffenexporte
Während der Rest der Wirtschaft stagniert oder unter der Corona-Krise ächzt, scheint es den Herstellern von Kriegsmaterial in der Schweiz erstaunlich gut zu gehen. Schweizer Unternehmen haben letztes Jahr 24% mehr Kriegsmaterial exportiert als im Vorjahr. Das zeigen die neusten Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO.
Mit Bewilligung des Bundes wurde Kriegsmaterial im Wert von 901,2 Millionen Franken in 62 Länder ausgeführt. Grösste Abnehmerin war Dänemark, gefolgt von Deutschland. Auf der Kundinnenliste der Schweizer Rüstungsproduzenten stehen aber auch Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.
Dieses Allzeithoch sei laut der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA ein Skandal. So habe die Schweiz beispielsweise für mehr als 17 Millionen Franken Länder mit Waffen beliefert, die in den völkerrechtswidrigen Jemenkrieg involviert seien. «Wenn die Schweiz an solche Länder Waffen liefert, dann trägt sie auch Mitschuld an den Menschenrechtsverletzungen» kritisiert Saskia Rebsamen von der GsoA die Schweizer Waffenexport-Praxis.
Der vergessene Krieg im Jemen
2015 begann der Krieg zwischen den jemenitischen Huthi-Rebellen und der von Saudi-Arabien angeführten, von den USA unterstützten Koalition arabischer Staaten. Seit vielen Jahren bezeichnen die Vereinten Nationen UNO diesen Krieg als «schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt».
In den Medien wird oftmals von einem Bürgerkrieg gesprochen. Dieses Narrativ eines innerstaatlichen Konfliktes gehe zurück auf den Beginn des Jemen-Krieges, sagt Jakob Reimann, freier Journalist mit Schwerpunkt Jemen und Gründer der Website JusticeNow. Im Zuge des arabischen Frühlings wurde damals Saudi-Arabiens Verbündeter im Jemen, der Herrscher Ali Abullah Saleh, gestürzt und die Huthi-Rebellen brauchten grosse Teile des Landes unter ihre Kontrolle. Als in der Folge die von Saudi-Arabien angeführten militärischen Angriffe begannen, wurde der Bürgerkrieg zum Krieg. Enstprechend sei das Narrativ vom Bürgerkrieg längst überholt.
Laut Reimann geht es Saudi-Arabiens im Wesentlichen darum, die saudische Kontrolle im Jemen wieder herzustellen und seine 1400 km lange Grenze zum Jemen abzusichern.
Für die Bevölkerung hat dieser Krieg katastrophale Folgen. Reimann spricht von rund 150 000 Toten und 4 Millionen Vertriebenen. Zudem seien rund eine Viertelmillion Menschen an den direkten Folgen des Krieges gestorben. Der Jemen kämpft mit der schlimmsten Hungersnot seit fast 100 Jahren, rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung von rund 30 Millionen leide derzeit an Hunger. Seit Kriegsbeginn gibt es aufgrund der Seeblockade keinen freien Güterverkehr mehr, während der Jemen noch vor dem Krieg zwischen 80 und 90% seiner Lebensmittel und Medikamente importiert hatte.