Heute im Info sprechen wir mit einer Aktivistin der ZAD de la Colline im Waadtland, die in diesen Minuten geräumt wird, wir betrachten die jüngste Aktion der Kampagne #evakuierenJETZT und werfen einen Blick ins Büchlein «Die Dinge daheim» des Berner Schriftstellers Christoph Simon.
Den Podcast gibt es hier:
Die ZAD wird geräumt
Seit heute Dienstag früh wird die ZAD de la Colline von der Polizei geräumt. ZAD steht dabei für «Zone à défendre», also ein besetztes Gebiet, dass es zu verteidigen gilt.
Hier auf dem Hügel Mormont im Kanton Waadt will das Schweizer Unternehmen LafargeHolcim seinen Kalkabbau vorantreiben. Schon jetzt klafft mitten im Hügel ein riesiges Loch, seit über 50 Jahren wird hier Kalk für die Herstellung von Zement abgebaut. Laut der Wochenzeitung WOZ gehöre das Werk zu den grössten zehn Produzenten von Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz. Das Gesamtunternehmen LafrageHolcim rangiere sogar auf Platz 1.
«Wir sind hier und besetzen diesen Hügel, weil dieser Grosskonzern täglich durch unglaubliche Mengen an CO2-Emissionen Menschenleben zerstört», erklärt Aktivistin Ola Meier (Name geändert) im Interview mit RaBe. Seit letztem Oktober haben sich die Besetzer*innen auf dem Mormont eingerichtet und so LafargeHolcim unter Druck gesetzt. Die ZAD habe in der Zwischenzeit jedoch mehrere Gerichtsfälle verloren, ab heute Dienstag könnte die Polizei deswegen auffahren um das Gelände zu räumen.
Seit einigen Tagen mobilisieren die Aktivist*innen schweizweit und auf verschiedenen Kanälen um der Räumung Widerstand zu leisten. Auf mögliche Kritik an der Aktionsform entgegnet Meier: «Die Frage ist, ob es überhaupt ein anderes Mittel gäbe um das Handeln von Holcim zu stoppen». Eine Hügelbesetzung, eine Errichtung einer «Zone à défendre» sei im Verhältnis zu den Machenschaften des Schweizer Grosskonzerns völlig harmlos.
Die neusten Infos zur ZAD gibt es auf dem laufend aktualisierten Telegram-Kanal
#evakuierenJETZT
Die Zustände in den griechischen Flüchtlingscamps sind nach wie vor prekär. Im letztjährigen Osterappell wandte sich die Kampagne #evakuieren JETZT an den Bundesrat. 132 Organisationen und 50’000 Privatpersonen forderten vom Bundesrat, sofort Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Auch verschiedenste Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Unterhaltungsbranche unterstützen den Appell. Dazu gehören z.B. Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Satiriker Viktor Giacobbo oder das Pop-Duo Lo & Leduc.
Geschehen ist seither nichts. Der Bund verwies als Antwort auf die Forderungen von #evakuierenJETZT auf die Hilfe vor Ort. Gestern verlieh die Kampagne ihrem Aufruf Nachdruck. Auf dem Bundesplatz stellte sie unzählige weisse Klappstühle auf, welche die Aufnahmekapazität symbolisieren sollen. Auf jedem Stuhl hätte ein Mensch Platz, so die Botschaft. Verschiedene VertreterInnen von Politik, NGO’s und Kirchenverbänden hielten Spruchbänder in die Höhe und forderten vom Bund abermals mehr Engagement. 16 Gemeinden, darunter die grössten acht Schweizer Städte signalisierten seit letztem Jahr dem Bundesrat ihre Bereitschaft, Geflüchtete aufzunehmen. Auch die Stadt Bern ist mit von der Partie.
Franziska Teuscher, Berner Gemeinderätin und Direktorin für Bildung, Soziales und Sport kritisiert die Haltung des Bundes. Dieser kommunizierte bislang, die Asylpolitik sei allein Sache des Bundes und der Kantone. In den Jahren 2015 und 2016, die geprägt waren von grossen Migrationsbewegungen, hätte beispielsweise die Stadt Bern innert kürzester Zeit hunderte Geflüchtete aufnehmen müssen. Man sei in der Lage, Menschen in Not aufzunehmen und fordere vom Bund einen Dialog auf Augenhöhe, so Teuscher.
Das Berner Stadtparlament hat dem Bund einen politischen Vorstoss überwiesen, der die Aufnahme von 500 Geflüchteten beinhaltet. Franziska Teuscher fordert von der Justizdirektorin Karin Keller-Suter, dass dieser Angelegenheit jetzt konkret Besprochen und realisiert wird.
Die Dinge daheim
Viele von uns verbringen momentan viel Zeit Zuhause mit Computer, Tisch, Stuhl, Bett und anderen Gegenständen. Wer im Homeoffice steckt, flucht vielleicht einmal sein Laptop an oder wirft einen Kugelschreiber durch die Gegend. Was aber denkt dieser Kugelschreiber? Was das Bett, der Salatlöffel, die Unterhose, der Aschenbecher oder der Kühlschrank, der viel öfter seinen Bauch öffnen muss als noch vor einem Jahr? Was denken unsere Dinge daheim?
Diese Frage hat sich auch Christoph Simon gestellt – Antwort liefert er im Büchlein «Die Dinge daheim». Darin enthalten sind Sprachminiaturen, in denen der Berner Autor Hausgegenständen Leben einhaucht und ihnen eine Stimme verleiht. Da wäre etwa der Kochtopf, der sich stets mit den grösseren Kollegen vergleicht. Die konservative Stimmgabel will keinesfalls von ihrem Ton abweichen, der Fensterlappen sorgt sich um Transparenz bei der Arbeit und der Staubsaugerroboter rennt immer gegen die gleichen Hindernisse an.
Man sympathisiert mit ihnen, mit Gabel, Sportsocke, Trüffelhobel, Brillengläsern und Packungsbeilagen, denn ihre Überlegungen, Sorgen, Nöte und Wünsche sind oft allzumenschlich. Simon haucht seinen Gegenständen nicht nur Leben ein, sondern verpasst ihnen auch eine Seele und geht dabei mit liebevoll-lakonischem, manchmal auch melancholischen Humor zugange.
Wer Dinge zum Leben erweckt, läuft Gefahr, dass er damit bei absehbar konstruierten Disney-Geschichten landet. Diese Klippe umschifft Simon in «Die Dinge daheim» elegant, denn seine Gegenstände halten uns immer auch einen Spiegel vor und liefern somit kleine Gesellschafts- und Befindlichkeitsanalysen. Der Geldschein: eine Doppelnull. Und wäre doch so gern ein Trippelnull. Die Stehlampe redet nur noch davon, Schauspielerin zu werden, seit sie eine Stehlampe im Fernsehen gesehen hat. Und die Jeanshose in fortgeschrittenem Alter hält fest: «So ist das eben. Man zerfasert und zerfällt und macht einfach weiter.»
Christoph Simon im Interview mit RaBe:
«Die Dinge daheim» ist erschienen bei Edition Taberna Kritika