Am 5. April 1981 stimmte das Schweizer Stimmvolk über die Mitenand-Initiative ab. Mit weitgehend gleichen Rechten für Schweizer*innen und Ausländer*innen forderte sie nichts weniger als eine radikale Kehrtwende in der Migrationspolitik. Die Initiative war eine Gegenreaktion auf die rechtsextreme Schwarzenbach-Initiative, welche den Ausländer*innenanteil bei 10% deckeln wollte. Rund 300 000 Migrant*innen hätten die Schweiz auf einen Schlag verlassen müssen. Die Schwarzenbach-Initiative wurde zwar abgelehnt, aber der Schock sass tief und brachte im April 1981 die Mitenand-Initiative an die Urne.
Mit 84% Nein-Stimmen erlitt die Initiative Schiffbruch. Und doch lohnt sich ein Blick zurück, weil die Mitenand-Initiative der letzte breit abgestützte Versuch einer migrationspolitischen Kehrtwende war. Warum schaffen es die linken Kräfte seit Jahrzehnten nicht mehr, proaktiv eine alternative Migrationspolitik zu fordern?
Nachgefragt bei den Parteipräsident*innen von SP und Grünen sind dafür mehrere Gründe ausschlaggebend. Ein Grund war laut Balthasar Glättli, Nationalrat und Parteipräsident der Grünen das überdeutliche Nein zur Mitenand-Initiative, welches eine ganze Generation nachhaltig entmutigt habe.
Ein weiterer wichtiger Grund war laut Mattea Meyer, Nationalrätin und CO-Präsidentin der SP, dass die SVP seit den 90er Jahren die migrationspolitische Debatte dominiere und die notwendigen Abwehrkämpfe sehr viel Energie und Ressourcen beanspruchten. Zudem seien restriktive, migrationspolitische Forderungen durch die Dominanz der SVP auch bei den Mitteparteien und in der Gesellschaft zunehmend salonfähig geworden, womit es immer schwieriger wurde, Allianzen zu finden. Möglich war dies nur beim einzigen grossen migrationspolitischen Liberalisierungsschritt seit den 80er Jahren, der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2000, und zwar weil es dafür laut Glättli eine breite Allianz von Wirtschaft, Gewerkschaften und linken Kräften gab.
Seit anfangs Jahr nun gibt es auch auf nationaler Ebene wieder einzelne, ambitioniertere Vorstösse. So fordern die Grünen das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer*innen auf nationaler Ebene und die SP eine Lockerung der sehr restriktiven Einbürgerungsbestimmungen. Es bleibt abzuwarten, was das Parlament dazu sagt.
Mattea Meyer und Balthasar Glättli im Gespräch mit RaBe: