Heute im Info geht es um gleiche Rechte für Alle. Wir haben mit der Lesbenorgansation Schweiz darüber gesprochen, warum Holland heute 20 Jahe „Ehe für Alle“ feiert während hierzulande derzeit Unterschriften gegen Homoehen gesammelt werden. Und wir machen einen Zeitsprung: Vor vierzig Jahren wurden Ausländer*innen gleiche Rechte wie Schweizer*innen gewährt. Warum hat die Linke seither nicht mehr geschafft, proaktiv auf die Migrationspolitik zu wirken?
Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
20 Jahre Ehe für Alle – Nicht so in der Schweiz
Eine Frau die sich mit einer Frau verloben will, ein Mann der seinem Freund das Ja-Wort geben möchte. Bisher sind das Wünsche, die in der Schweiz nicht erfüllt werden können. Nun, zwanzig Jahre nachdem Holland als erstes Land der Welt, die Ehe für Alle eingeführt hat, kommt hierzulande wieder Bewegung in die Sache.
Das Parlament hat letzten Dezember mit einer breit abgestützten Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das die Ehe für alle ermöglicht. Allerdings hat ein rechtskonservatives Komitee aus SVP, EDU und CVP das Referendum lanciert und sammelt derzeit Unterschriften gegen die Ehe für Alle. Ob es zur nationalen Abstimmung kommt oder nicht, wird am 10. April bekannt gegeben.
Rechtsanwältin Nadja Herz ist Co Präsidentin der Lesbenorganisation Schweiz. Sie beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Im Interview mit RaBe-Info sagt sie, die Schweiz sei mit der Einführung der Partnerschaftsgesetzes 2007 noch relativ modern gewesen, heute aber Schlusslicht in der Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren. Neben Italien ist die Schweiz das einzige westeuropäische Land, welches noch keine «Ehe für Alle» kennt. Die Gesellschaft habe sich verändert, vielleicht sei die Schweiz damals noch nicht reif gewesen für eine komplette Gleichstellung, heute gebe es aber viel weniger Vorurteile gegenüber «Regenbogen-Familien».
Falls es zur Abstimmung kommen würde im Herbst 2021, hofft Nadja Herz, dass die Schweiz gesetzlich einer modernen Gesellschaft anpasst. Dass eine Frau eine Frau heiraten kann und ein Mann einem Mann das Ja Wort geben darf, sei höchste Zeit, so Nadja Herz.
40 Jahre revolutionäre Mitenand-Initiative
Am 5. April 1981 stimmte das Schweizer Stimmvolk über die Mitenand-Initiative ab. Mit weitgehend gleichen Rechten für Schweizer*innen und Ausländer*innen forderte sie nichts weniger als eine radikale Kehrtwende in der Migrationspolitik. Die Initiative war eine Gegenreaktion auf die rechtsextreme Schwarzenbach-Initiative, welche den Ausländer*innenanteil bei 10% deckeln wollte. Rund 300 000 Migrant*innen hätten die Schweiz auf einen Schlag verlassen müssen. Die Schwarzenbach-Initiative wurde zwar abgelehnt, aber der Schock sass tief und brachte im April 1981 die Mitenand-Initiative an die Urne.
Mit 84% Nein-Stimmen erlitt die Initiative Schiffbruch. Und doch lohnt sich ein Blick zurück, weil die Mitenand-Initiative der letzte breit abgestützte Versuch einer migrationspolitischen Kehrtwende war. Warum schaffen es die linken Kräfte seit Jahrzehnten nicht mehr, proaktiv eine alternative Migrationspolitik zu fordern?
Nachgefragt bei den Parteipräsident*innen von SP und Grünen sind dafür mehrere Gründe ausschlaggebend. Ein Grund war laut Balthasar Glättli, Nationalrat und Parteipräsident der Grünen das überdeutliche Nein zur Mitenand-Initiative, welches eine ganze Generation nachhaltig entmutigt habe.
Ein weiterer wichtiger Grund war laut Mattea Meyer, Nationalrätin und CO-Präsidentin der SP, dass die SVP seit den 90er Jahren die migrationspolitische Debatte dominiere und die notwendigen Abwehrkämpfe sehr viel Energie und Ressourcen beanspruchten. Zudem seien restriktive, migrationspolitische Forderungen durch die Dominanz der SVP auch bei den Mitteparteien und in der Gesellschaft zunehmend salonfähig geworden, womit es immer schwieriger wurde, Allianzen zu finden. Möglich war dies nur beim einzigen grossen migrationspolitischen Liberalisierungsschritt seit den 80er Jahren, der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2000, und zwar weil es dafür laut Glättli eine breite Allianz von Wirtschaft, Gewerkschaften und linken Kräften gab.
Seit anfangs Jahr nun gibt es auch auf nationaler Ebene wieder einzelne, ambitioniertere Vorstösse. So fordern die Grünen das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer*innen auf nationaler Ebene und die SP eine Lockerung der sehr restriktiven Einbürgerungsbestimmungen. Es bleibt abzuwarten, was das Parlament dazu sagt.
Mattea Meyer und Balthasar Glättli im Gespräch mit RaBe: