Heute im Info: Judenfeindlichkeit schleiche sich nicht nur durch Corona-Demonstrationen immer mehr in den Schweizer Alltag und eine Installation, die sich mit den grossen Fragen des Lebens beschäftigt.
Antisemitismus in der Schweiz auf dem Vormarsch
Antisemitische Vorfälle häufen sich in der Schweiz. Vor allem Davidstern tragende Demonstrierende auf Corona-Demonstrationen stachen in letzter Zeit ins Auge. Auch im Internet nähmen Diskriminierung und Hetze immer mehr zu, berichtet die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus.
Wie es sich für Betroffene anfühlt, wenn Menschen auf Demos die Corona-Massnahmen mit der Judenverfolgung im zweiten Weltkrieg gleichsetzen, darüber gibt Alois Huber (Name geändert) Auskunft. Alois ist 20 Jahre alt und wohnt in Bern. Und er ist Jude. Die Bilder der Davidsterne haben ihn getroffen, sagt Huber. Er könne sich nicht vorstellen, wie jemand auf so einen Vergleich komme. Er sehe darin eine billige und vor allem unnötige Provokation.
Alois Huber erlebt aber auch subtilere Formen von Antisemitismus. Am Arbeitsplatz höre er manchmal, wie die Kollegen einander sagen: «Benimm dich doch nicht wie ein Jude!» Auch würden Witze über Jüdinnen und Juden gemacht. Es sei sehr schwierig, solche Vorfälle einzuschätzen. Huber kenne die Leute nur am Arbeitsplatz, wisse nicht, was ihre privaten politischen Ansichten seien. Es habe schon einige Momente bei der Arbeit oder in der Freizeit gegeben, in denen er froh gewesen sei, dass niemand über seinen jüdischen Hintergrund Bescheid wusste. Zu unsicher war er sich, wie die Reaktion darauf ausfallen könnte, auch eine Eskalation halte er manchmal nicht für unmöglich.
Fachstellen und Wissenschaft sind sich dieser Problematik des Alltags-Antisemitismus bewusst. Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) hat letztes Jahr zusammen mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) eine Studie durchgeführt. Erforscht wurde, wie Jüdinnen und Juden in der Schweiz Antisemitismus im Alltag wahrnehmen. Das Ergebnis ist klar. Menschen jüdischen Glaubens werden in allen Lebenslagen mit Antisemitismus konfrontiert. Zum Beispiel am Arbeitsplatz oder in der Schule. Meist seien es subtile Formen von Antisemitismus, ob Witze wie von Alois Huber geschildert, oder verallgemeinernde Kritik an Israel. Das Schwierige daran sei laut Dina Wyler, Geschäftsführerin von GRA, dass sich viele Menschen solcher antisemitischer Denkmuster gar nicht bewusst seien. Um dem Abhilfe zu schaffen, hat GRA in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerorganisationen eine Website ins Leben gerufen. Auf ihr kann man dokumentierte antisemitische Zitate lesen. Anschliessend wird erklärt, was an den Worten problematisch ist und wie man darauf reagieren kann. Es sei das Ziel, dass ein Dialog stattfinde, der eine Sensibilität für die Sprache fördern soll. Die Leute sollen sich nicht sofort angegriffen fühlen, wenn sie problematische Aussagen machen. Anständig miteinander darüber zu sprechen, sei der Weg zu einer toleranteren Gesellschaft, so Dina Wyler von GRA
Alois Huber sieht auch in seinem Freundeskreis, wie kompliziert es manchmal sein kann. Manche Judenwitze finde er nicht schlimm, es gebe aber auch solche, die er nicht dulde. Er verlange von den Leuten, dass sie differenzieren können. Wenn er manche Witze toleriere, heisse das nicht, dass das ein Freipass sei. Was für ihn gilt, gilt nur für ihn, und nicht für alle anderen Menschen jüdischen Glaubens.
«Death and Birth in My Life»
Geburt und Tod – Anfang und Ende – sind eigentlich die zentralsten Momente jedes Lebens. Doch wann nehmen wir uns die Zeit, uns hinzusetzen und mit einem Gegenüber eine Stunde lang darüber zu sprechen? Wahrscheinlich selten bis nie. Dabei sind doch die Geburt eines Kindes oder der Tod eines geliebten Menschen aufwühlende Erlebnisse, die sich besser verarbeiten lasse, wenn sich geteilt werden können.
Diese Erfahrung hat auch der gebürtige Berner Kunstschaffende Mats Staub gemacht, als er 2014 seinen Bruder verlor. Im südafrikanischen Johannesburg sei er damals mit einem viel direkteren Umgang mit Emotionen konfrontiert worden. «Innerhalb des gleichen Gespräches wird gelacht und geweint und das kann mehrfach hin und her gehen.»
Die Erfahrung hat Staub dazu veranlasst, sein Langzeitprojekt Death and Birth in My Life ins Leben zu rufen. Über mehrere Jahre hat er jeweils zwei Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken dieser Welt zusammengebracht und diese über ihre Erlebnisse rund um Geburt und Tod sprechen lassen. Der so entstandene Austausch ist oft sehr persönlich und berührend, zumal die Einzelschicksale immer auch auf universelle existenzielle Erfahrungen verwiesen. Als Ausstellungsbesucher*innen kommt man den sprechenden Menschen ganz nahe und erkennt sich vielleicht selber in ihnen.
Somit bietet die Videoinstallation «Death and Birth in my Life» nicht nur einen gemeinschaftlichen Raum zum Innehalten und zu Reflexion, sondern reicht auch Hand zu einer Auseinandersetzung mit dem Tod, die gerade im Zeitalter von Corona notwendiger ist denn je.
«Death and Birth in My Life» 1. April – 30. Mai 2021, Museum für Kommunikation
