Heute im Info beleuchten wir die Arbeitsbedingungen in der Pflege und die Probleme der britischen Überseegebiete mit dem Brexit.
Walk of Care – Pflegende demonstrieren
Vor einem Jahr haben viele Menschen geklatscht fürs Gesundheitspersonal. Eine nett gemeinte Geste, die sich für Pflegefachpersonen jedoch nie auszahlte: Noch immer berichten viele über prekäre Arbeitsbedingungen. «Man kann in der Freizeit kaum richtig abschalten», sagt etwa Stephan Matter, Fachangestellter Gesundheit und Mitglied bei der Basisgewerkschaft FAU. «Man hat immer im Hinterkopf, dass gleich das Telefon klingelt und man aufgeboten wird». Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung fielen immer wieder Angestellte aus, Überstunden und Sondereinsätze seien somit an der Tagesordnung.
«Seitdem ich auf diesem Beruf arbeite, erlebe ich überall Personalmangel», so Matter. Wegen Corona sei das Thema zwar in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, geändert habe sich aber noch nichts.
Morgen Dienstag gehen Pflegefachpersonen deswegen auf die Strasse: Mit sogenannten Walks of Care wollen sie weiter Druck aufbauen, damit die Politik endlich Verbesserungen zu Gunsten der Branche präsentiert. Hier geht es zum obligatorischen Anmeldeformular. Die Corona-Massnahmen werden an den Demonstrationen strikte eingehalten.
Ein bunter Strauss von Problemen – Brexit in den britischen Überseegebieten
Ob Anguilla, die Falklandinseln oder Bermuda – für die britischen Überseegebiete ist der Brexit eine riesige Herausforderung. Abgesehen von Gibraltar waren sie sowohl bei der Brexit-Abstimmung, als auch bei den Verhandlungen über die Nachfolge-Verträge zwischen London und Brüssel nie mehr als stille Zuschauerinnen. Die EU stellte von Beginn weg klar, dass die Beziehungen zu den Überseegebieten kein Verhandlungsgegenstand sei.
Besonders schwer zu schaffen macht der Brexit dem ehemaligen EU-Mitglied Gibraltar. Trotz des wuchtigen Neins von 96% zum Brexit auf der winzigen Halbinsel an Spaniens Südküste muss Gibraltar nun in Windeseile neue Wege finden, für die künftige Zusammenarbeit mit der EU, und insbesondere mit seinem Nachbarn Spanien. Laut Jamie Trinidad, Rechtswissenschaftler an der Universität Cambridge hat die EU die Verantwortung für Gibraltar Spanien übergeben. Zudem erhielt Spanien ein Vetorecht gegenüber allen Entscheiden, welche Gibraltar betreffen. Da sehr viele Spanier*innen täglich auf Gibraltar arbeiten, sind alle daran interessiert, die Grenze möglichst offen zu halten. Die Verhandlungen, dass Gibraltar zumindest Schengen-Mitglied bleiben kann, sollten im Sommer abgeschlossen sein.
Eine ungewisse Zukunft steht auch den britischen Offshore Finanzzentren in der Karibik bevor, wie die Cayman Islands, die britischen Jungferninseln, Bermuda oder Anguilla. Sie profitierten sehr stark davon, dass die Finanzmetropole London ein ganz zentraler Player im europäischen Binnenmarkt war und ein sehr grosser Teil der Geschäfte von London kam. Trifft der Brexit London, dann trifft er auch die Überseegebiete, so Jamie Trinidad.
Dass die berühmt-berüchtigen Steueroasen sich die Hände reiben würden, wenn die vergleichsweise strikten EU-Gesetzesbestimmungen im Finanzsektor wegfallen und sie noch mehr Möglichkeiten hätten, dubiose Gelder anzulocken, verneint Jamie Trinidad. Die Zukunft der Steueroasen in der Karibik hänge stark davon ab, für welches neue Wirtschaftsmodell sich Grossbritannien entscheide. In letzter Zeit sei öfters vom so genannten Singapur-Modell mit tiefen Steuern und kaum Regulierungen die Rede gewesen, welches bei diversen wichtigen Politgrössen viel Rückhalt geniesse. Entscheidet sich Grossbritannien tatsächlich für das Singapur-Modell, verlieren die britischen Steueroasen in der Karibik ihren Wettbewerbsvorteil.
Neben Gibraltar war keines der britischen Überseegebiete offiziell EU-Mitglied. Dennoch pflegten auch sie sehr enge, vor allem wirtschaftliche Beziehungen zur EU, vieles war in den EU-Verträgen festgeschrieben, auf gewissen Inseln galt EU-Recht.
Dennoch kämpfen sie aktuell mit sehr unterschiedlichen Herausforderungen, sei es mit wachsender Konkurrenz, mit neuen Exportzöllen oder mit neuen Grenzen, welche plötzlich alltägliche Arbeitswege in Frage stellen. Was die Sache noch schwieriger macht, ist, dass die vielen kleinen Inseln nicht geeint als Verhandlungsmacht auftreten können und so quasi alle im Alleingang das Beste für sich herauszuholen versuchen müssen.