Heute sprechen wir über schwarze Listen von Krankenkassen, fehlende Corona-Vakzine auf dem afrikanischen Kontinenten und über vertrauliche Geburten. Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
Ende der Schwarzen Listen für Versicherte?
Immer mehr Menschen haben Mühe ihre Krankenkassenrechnungen zu bezahlen, für das Portemonnaie vieler ist die Prämienlast schlicht zu gross. Laut Bundesamt für Gesundheit beträgt die durchschnittliche Monatsprämie rund 375 Franken, je nach Wohnort und Alter kann sie aber auch weit darüber liegen.
Wer trotz Mahnungen und Betreibung die fehlenden Beträge nicht begleicht, landet in manchen Kantonen auf einer Schwarzen Liste. In der Folge werden die Betroffenen nur noch im Notfall behandelt, was zu bedrohlichen Situationen führen kann. So erhielt laut Caritas ein Diabetiker kein Insulin, da man dies nicht als Notfallbehandlung erachtete.
«Bei nicht lebensbedrohlichen Situationen müssen die Betroffenen jeweils im Voraus bezahlen», erklärt Andreas Lustenberger, Leiter Politik und Public Affairs bei der Caritas im Interview mit RaBe. Auf den schwarzen Listen befänden sich hauptsächlich Menschen mit tiefen Einkommen. Prämienausstände seien somit keine Folge von mangelnder Zahlungsmoral, sondern zeigten, dass Kantone und Bund es versäumt haben, die Prämienverbilligung auszubauen, argumentiert er.
Da der Nutzen solcher «Schwarzen Listen für säumige Prämienzahler*innen» schon lange in Frage gestellt wird, haben sie zehn Jahre nach ihrer Einführung die meisten Kantone bereits wieder abgeschafft. Nur noch fünf Kantone führen solche Listen: Aargau, Luzern, Tessin, Thurgau und Zug. Laut Branchenorganisation der Schweizer Krankenkassen, Santésuisse, sind derzeit über 30’000 Personen auf einer solchen Schwarzen Liste registriert.
Heute berät nun der Ständerat, ob diese Listen abgeschafft werden sollen. Danach wird sich auch noch der Nationalrat mit dem Thema beschäftigen müssen.
Vertrauliche Geburten als «Beste der schlechten Möglichkeiten»
Vor 20 Jahren wurde im Spital Einsiedeln Babyfenster der Schweiz eröffnet. So sollte Frauen in Not ermöglicht werden, wenigstens ihr Kind in Sicherheit zu wissen.
Doch die Sicherheit der Mutter ist damit nicht gewährleistet, aus Angst gebärt sie im Versteckten. Die Abgabe eines Kinders in einem Babyfenster verhindert unwiderruflich, dass das Kind seine Herkunft herausfinden kann. Um die Situation schwangerer Frauen in Not zu verbessern, gibt es seit 2016 in einigen Spitälern die Möglichkeit, vertraulich zu gebären. Das bedeutet, dass die Personalien der Mutter vertraulich behandelt werden und im Spital selber ein Pseudonym für dei Frau verwendet wird.
Eine Untersuchung des Schweizer Kopezentzentrums für Pflege- und Adoptivkinder Schweiz zeigt nun auf, dass ungefähr 20 Spitäler bereits Vertrauliche Geburten durchgeführt haben, einige davon bis zu vier mal im Jahr. Allerdings ist das Angebot wenig bekannt und die Spitäler handhaben die vertrauliche Geburten unterschiedlich. Die vertrauliche Geburt sei die Beste der schlechten Möglichkeiten, so Karin Meierhofer im Interview mit RaBe Info. Sie erklärt, welche Probleme Frauen dazu bringen können, vertraulich zu gebären.
Globale Impfgerechtigkeit
Während in vielen westlichen Ländern die Impfquote schon bei 40-50% liegt, schreiten die Impfkampagnen in einkommensschwachen Ländern des globalen Südens nur langsam voran. So sind zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent erst 0.6% der Bevölkerung vollständig immunisiert. Grund dafür ist, dass afrikanische Länder bis anhin nur sehr wenige Corona-Vakzine erhalten haben, von globaler Impfgerechtigkeit kann also keine Rede sein. Dabei sind gerade Menschen, die bei Krankheit keinen Erwerbsersatz und keine Krankenversicherung haben, besonders angewiesen auf den Schutz vor einer Infektion.
Doch vielen afrikanischen Staaten fehlt schlicht das Geld um eigene Verträge mit Impfstoffunternehmen abzuschliessen. Zudem gibt es derzeit kaum noch Impfdosen, die sie sich sichern könnten, da reichere Länder den Markt leer gekauft haben – Länder wie die Schweiz haben ein Vielfaches der benötigten Dosen bestellt. «Diese Impfstoffe fehlen nun an anderen Orten, wo sie auch gebraucht werden würden», kritisiert Martin Leschhorn, Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz, ein Netzwerk von 50 Schweizer Organisationen, die in der internationalen Zusammenarbeit tätig sind.
Schon vor über einem Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Covax-Initiative ins Leben gerufen. Diese sollte eigentlich einen weltweit gerechten Zugang zu Corona-Impfstoffen gewährleisten. Doch statt den erwarteten 66 Millionen Dosen, die Covax afrikanischen Ländern bis Ende Mai hätte zur Verfügung stellen sollen, sind bislang nur 19 Millionen geliefert worden. Zur Erinnerung: «Afrika», das sind über 50 Länder mit insgesamt rund 1,2 Milliarden Einwohner*innen.
Um der globalen Impfgerechtigkeit einen Schritt näher zu kommen, schlugen Indien und Südafrika im vergangenen Oktober vor, dass die Welthandelsorganisation WTO eine vorübergehende Aussetzung der Patente auf Medizinalprodukte und Impfstoffe verfügen soll. Würde diese Forderung tatsächlich umgesetzt werden, so müssten die Pharmaunternehmen ihr Wissen weitergeben und so könnten viele Länder ihren eigenen Impfstoff produzieren. Die weltweit höheren Produktionsmengen würden dann auch dazu führen, dass die Preise für die Vakzine fielen.
Vor rund einem Monat hat die USA angekündigt, die vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe zu unterstützen. Doch Länder wie die Schweiz stellen sich dagegen. Zu einflussreich sind wohl die Interessen der Pharma an den Gewinnen, eine Pandemie sei kein Grund, Handelsregeln zu brechen, argumentiert die Branche. Anders sieht dies übrigens die Schweizer Bevölkerung. Eine repräsentative Umfrage von Campax zeigte, dass eine klare Mehrheit der Schweizer*innen eine vorübergehende Sonderregelung auf Patente für COVID-19 Behandlungen und Impfstoffe befürwortet.
Doch nicht nur der Markt sorge dafür, dass die Welt weit entfernt sei von Impfgerechtigkeit, wie für Martin Leschhorn von Medicus Mundi sehr wichtig zu betonen ist. Multilaterale Organisationen wie die seinige würden bis heute oft in postkolonialen Mustern denken und arbeiten. Sie würden Hilfsprogramme aufziehen, in deren Entscheidungsgremien kaum Personen aus den betroffenen Ländern sitzen. «Die koloniale Erfahrung macht die Menschen zu Recht skeptisch gegenüber solchen Programmen», so Leschhorn. Bis in die Gegenwart hinein denke die Weltgemeinschaft stets vom Norden her und baue kaum auf lokale Kapazitäten, auf lokales Wissen.