Wer darf über einen Landesverweis entscheiden? Und sind die Wahlen im Iran nur eine Farce? Das und mehr heute im RaBe-Info.
Ausschaffung via Strafbefehl
Bagatelldelikte wie Diebstähle oder Sachbeschädigungen können in der Schweiz via Strafbefehl bestraft werden. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft, welche den Fall verfolgt hat, auch gleich über die Strafe entscheidet. Nur wenn die beschuldigte Person Einsprache erhebt, kommt der Fall vor Gericht.
Ein solches Strafbefehlsverfahren soll künftig auch für Landesverweisungen möglich sein, so will es eine eine Motion die aktuell im Nationalrat diskutiert wird. Auch die sogenannten Pflichtverteidiger*innen sollen in Zukunft nicht mehr bereitgestellt werden, so wie es bisher zwingend ist in Fällen von Landesverweisungen. Der Bundesrat steht hinter dem Anliegen der Nationalpolitischen Kommission, straffällige Ausländer*innen via «Post von der Staatsanwaltschaft» auszuweisen.
Konrad Jeker ist seit 30 Jahren Strafverteidiger. Er ist gegen den Vorschlag der Staatspolitischen Kommission, Ausschaffungen via Strafbefehl zu erledigen. Das Strafbefehlsverfahren würde die Rechtssicherheit nicht garantieren, dies sei bei Massnahmen wie der Ausschaffung, die solch hochsensible Lebensbereiche betreffen, fatal für Betroffene. Nicht nur würde es zu mehr Landesverweisungen kommen als bisher, sondern auch zu mehr ungerechtfertigten Ausweisungen, ist der Anwalt überzeugt. Das Strafbefehlsverfahren sei fehleranfällig, ausserdem sei es schlicht nicht an der Staatsanwaltschaft, der ermittelnden Behörde, solche Entscheide zu treffen, sondern es brauche ein Gericht, das über einen allfälligen Landesverweis entscheidet, so Konrad Jeker im Interview mit Radio RaBe.
Präsidentschaftswahlen im Iran
Am 18. Juni 2021 wählt der Iran einen neuen Präsidenten. Ob man dies tatsächlich als Wahl bezeichnen kann, sei allerdings dahingestellt. Der erzkonservative Wächterrat, ein 12-köpfiges Gremium aus Juristen und Klerikern, hat im Vorfeld sämtliche, dem Regime nicht genehmen Kandidat*innen aussortiert.
600 Kandidierende hatten sich angemeldet, nun stehen noch 7 mehrheitlich erzkonservative Kandidaten zur Wahl, die den aktuellen, eher moderaten Präsidenten Hassan Rohani ablösen sollen.
Gemäss Simon Wolfgang Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter am orientalischen Seminar an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg ist dieses Vorgehen des Wächterrates im Grunde nichts Neues. Allerdings stünden im Vergleich zu früheren Wahlen diesmal keinerlei Kandidaten aus dem Reformer- oder moderaten Lager mehr zur Wahl.
Favorit und bevorzugter Kandidat des Regimes ist der aktuelle Oberste Richter und ultrakonservative Hardliner Ebrahim Raisi, der in den 80er Jahren massgeblich mitverantwortlich gewesen sein soll, für Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen. Dies werde aktuell im Iran zwar kontrovers diskutiert, Raisi versuche jedoch die Debatten von seiner Vergangenheit wegzulenken, hin zur wirtschaftlich desolaten Lage im Land, für welche er die moderaten Kräfte rund um den aktuellen Präsidenten Hassan Rohani verantwortlich mache.
Simon Wolfgang Fuchs rechnet damit, dass aufgrund der begrenzten Auswahl an Kandidaten die Wahlbeteiligung erneut sinken, und somit Ebrahim Raisi das Rennen machen wird. Von grösseren, regimekritischen Massenprotesten im Zuge der Präsidentschaftswahlen geht Fuchs indes nicht aus. Die Erfahrungen der brutalen Niederschlagung der letzten, breiten Proteste von Regimegegner*innen im Jahre 2019 mit wohl hunderten von getöteten Demonstrant*innen würden bis heute nachhallen und hätten zu einer breiten Desillusionierung in Irans junger Bevölkerung geführt.