Heute im Info geht’s um die Diskussion, wer die Heime für Jugendliche in Bern betreiben soll, nachdem der Regierungsrat entscheiden hat, Jugendheime zu privatisieren. Kulturell lässt „mi vida en transito“ tief blicken, ein Stück dass sich mit Selbstmordgedanken und Lebenssinn auseinandersetzt.
Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
Ausgliederung der Jugendheime in Bern
Fünf kantonale Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe sollen ab nächstem Jahr die Selbstständigkeit erlangen, das bedeutet unter anderem, dass sie in Zukunft keine Defizitgarantie mehr haben: Das Jugendheim Lory in Münsingen, die Beobachtungsstation Bolligen, das Schulheim Schloss Erlach, das Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik Landorf Köniz und das Pädagogische Zentrum für Hören und Sprache Münchenbuchsee. So will es die Bernische Regierung, heute setzt sich der Grosse Rat mit den entsprechenden Krediten auseinander. Über 1000 Kinder und Jugendliche sowie rund 500 Mitarbeitende wären von der Ausgliederung betroffen.
«Die Institutionen werden nicht mehr genügend Gelder zur Verfügung haben», warnt SP-Grossrätin Béatrice Stucki, sie arbeitet bei der Gewerkschaft VPOD im Bildungsbereich. «Einerseits kommen so die Anstellungsbedingungen unter Druck, andererseits die Ausrichtung der Angebote», erklärt sie.
Der Regierungsrat rechtfertigt seinen Entscheid damit, dass die Ausgliederung notwendig sei, um gleich lange Spiesse zu schaffen mit den über 90 vergleichbaren sozialen Institutionen im Raum Bern, also mit Institutionen die bereits jetzt privatrechtlich organisiert sind. Stucki sieht das anders, sie argumentiert, dass von Gleichbehandlung kaum die Rede sein könne. Zum Beispiel wenn es darum gehe, in welchem rechtlichen Rahmen die fünf betroffenen Institutionen ihre Liegenschaften in Zukunft nutzen sollen. Würden sie diese beispielsweise zum symbolischen Betrag von einem Franken kaufen können, so sei das unfair gegenüber den anderen Heimen, welche ihre Immobilie wohl kaum geschenkt bekommen hätten.
„Unsere Freundschaft ist die Kunst“
Elvio Avila lebt derzeit in San Rafael, einer kleinen Gemeinde im argentinischen Mendoza. Das tut der Theaterschaffende nicht freiwillig. Die letzten 10 Jahre hat sich Elvio nämlich ein Leben in der Schweiz aufgebaut, wo er die Theaterschule Dimitri besuchte, an der HKB einen Masterstudiengang abschloss, in verschiedenen Projekten mitwirkte und in Luzern in einem kulturellen Betrieb arbeitete. Im September 2020 lief Elvios Aufenthaltsbewilligung aus, womit sich sein geplantes Leben auf einen Schlag in Luft auflöste. «Es ging unglaublich schnell: Beziehung, Arbeit, Land, Beruf – von einem Tag auf den anderen war alles weg», sagt Elvio. Die Folgen dieses fundamentalen Umbruchs waren Depressionen, Panikattacken und Suizidgedanken.
In dieser Zeit begegnete Elvio dem Luzerner Theaterschaffenden und Aktivisten Savino Caruso. Zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft, die auch nach Elvios Abreise nach Argentinien weiter Bestand hat und sich nun auch in der ersten gemeinsamen Theaterarbeit «mi vida en transito» niederschlägt. Das dokumentarische Stück fusst zum einen auf Elvios Geschichte, lotet aber auch Themen wie männliche Suizidaliät und Lebenssinn aus. Die Stückerarbeitung erfolgt via Zoomsitzungen zwischen Luzern und San Rafael, wobei die Bildschirme und das persönliche Gespräch der Freunde auch im Stück selber eine zentrale Rolle einnehmen. Dazu kommt Gesang, Tanz, Lesung und Schlagzeugspiel.
In «mi vida en transito» wird die Freundschaft zur Kunst erhoben. Dabei werden unprätentiös und authentisch gesellschaftlich relevanten Themen verhandelt, ohne dabei voyeuristisch zu werden. Das Stück vereint räumliche Distanz und persönliche Nähe und ist aktivistisch und politisch, zeigt es doch, wie Europa zur Festung werden kann, die für ausländische Kunstschaffende nur schwer zu erreichen ist.
Der Audiobeitrag zu «mi vida en transito»:
Der Verein Premio, der seit rund 20 Jahren bildende Kunstschaffende unterstützt, hat am 29. Mai 2021 «mi vida en transito» mit dem 25’000.- dotierten Nachwuchspreis für Theater und Tanz ausgezeichnet.