Wenn Dinge entwickelt werden, gilt oft der männliche Körper als Massstab, was für Frauen mitunter tödliche Folgen haben kann. Solche Tatsachen beleuchtet Journalistin Rebekka Endler in ihrem Buch «Das Patriarchat der Dinge». Den Podcast zur Sendung gibts hier:
Der männliche Körper als Norm
Der cis-männliche* Körper gilt als Mass aller Dinge – wortwörtlich. Denn viele Dinge, die wir benutzen, sind für Männerkörper konzipiert. Diese Tatsache hat mitunter lebensgefährliche Folgen: So wird die Sicherheit im Auto in den allermeisten Fällen an Crashtest-Dummies mit einem cis-männlichen Durchschnitts-Körper getestet – in der Folge werden Frauen bei einem Autounfall oft schwerer verletzt.
Mittlerweile sind Autohersteller in der EU zwar dazu verpflichtet, ihre Tests auch an cis-weiblich normierten Dummies durchzuführen, in den meisten Fälle sitzen diese «Frauen» dann jedoch auf der Beifahrerinnenseite. Die weiblichen Dummies sind ausserdem nur eine kleinere Version der grösseren männlichen Dummies – es wird also davon ausgegangen, dass ein weiblicher Körper einfach nur ein kleinerer männlicher Körpers ist.
Genau solchen Tatsachen hat die deutsche Journalistin Rebekka Endler ein ganzes Buch gewidmet. In «Das Patriarchat der Dinge» versammelt sie zahlreiche Beispiele, in welchen die Welt den Frauen nicht passt.
Auslöser für die Arbeit am Buch sei eine Recherche zu Potty Parity gewesen. Eine britische Bewegung, die sich mit Gleichberechtigung auf öffentlichen Toiletten beschäftigt. «Potty Parity fordert, dass im öffentlichen Raum alle Menschen dieselben Möglichkeiten haben, ihre Blase zu erleichtern, unabhängig davon, ob sie einen Penis haben oder nicht», erklärt Endler.
Während ihrer Arbeit am Buch sei ihr dann sehr früh aufgefallen, dass es kaum Bereiche des Lebens gäbe, die nicht in irgendeiner Art und Weise mit patriarchalem Design zu tun hätten. Dabei sei es jedoch nicht immer eine Frage von Leben und Tod wie zum Beispiel bei der Autosicherheit. Sport sei zum Beispiel auch ein sehr patriarchales Gebiet. So dürfen Frauen in Deutschland erst seit den 70er-Jahren im Verein Fussball spielen und erst seit kurzem gibt es Fussballschuhe für cis-weibliche Füsse. Laut Endler war das Skispringen im Verein für Frauen sogar bis 2015 Tabu, Funktionäre argumentierten, dass der Sport für weibliche Körper zu gefährlich sei, in der Folge könnten ihre reproduktiven Fähigkeiten eingeschränkt werden.
Ein anderes Beispiel seien Laptops, welche um die Jahrtausendwende für Frauen konzipiert worden seien. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie in die Handtasche passten und weniger Leistung erbrachten als ihre nicht-gegenderten Pendants.
Auch in der Medizin gäbe es unzählige Beispiele, welche zeigten, dass der Mann «als Mass aller Dinge» betrachtet wird. Herzinfarkte würden bei Frauen oft zu spät erkannt, weil sie andere Symptome zeigten als Männer. Somit sei ihre Überlebenschance geringer. Zudem würden weibliche Probandinnen oft von medizinischen Studien ausgeschlossen, weswegen «viele Studienergebnisse verfälscht sind». Die Forschung habe oft nur Ergebnisse für Nebenwirkungen die cis-Männer betreffen könnten. Auch sei die Forschung zum Beispiel zu Endometriose (eine Krankheit, die nur Personen mit Gebärmutter betrifft) noch in den Kinderschuhen, auch dafür verortet Endler die Ursache in der männlich zentrierten Medizin.
Gründe für patriarchales Design sieht die Journalistin aber nicht etwa in einer böswilligen Absicht der Produzent*innen. Viel eher sei patriarchales Design in unserer Gesellschaft eine logische Konsequenz, schliesslich lebe die Menschheit seit Jahrtausenden im Patriarchat. An vielen Stellen eines Erarbeitungsprozesses würden Frauen somit auch einfach vergessen gehen.
Das Radio Corax in Halle lud die Autorin und Journalistin Rebekka Endler ins Studio ein:
*Als Cis-Mann / Cis-Frau werden diejenigen Personen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
«cis» steht somit dem Begriff «trans» gegenüber.