Wir schauen den experimentellen Dokumentarfilm «Die Pazifistin», der das Leben der Wissenschaftlerin, Frauenrechtlerin und Pazifistin Gertrud Woker beleuchtet und fragen nach, was der Kolonialismus für Indigene in Argentinien bedeutet. Die Sendung gibts hier:
Getrud Woker: Wissenschaftlerin, Frauenrechtlerin, Pazifistin
Vielen dürfte ihr Name gänzlich unbekannt sein und in ihrer Heimatstadt Bern ist ihr gerade mal eine kleine Seitenstrasse in der Länggasse gewidmet – die Gertrud-Woker-Strasse. Dabei war Gertrud Woker eine aussergewöhnliche Frau, die zu Lebzeiten Aussergewöhnliches leistete.
1878 geboren, studierte Woker ab 1900 Organische Chemie an den Universitäten Bern und Berlin, doktorierte, wurde zur ersten Privatdozentin für Chemie an einer Schweizer Hochschule, leitete ab 1911 in Bern das Institut für physikalisch-chemische Biologie und hielt 20 Jahre lang eine Professur inne. Gertrud Woker war aber nicht einfach nur eine geniale Wissenschaftlerin und Wegbereiterin der Biochemie, sondern auch Frauenrechtlerin und hartnäckige Friedensaktivistin. Sie gehörte zu den Mitbegründerinnen der späteren «Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit» und hielt in den 1950er-Jahre eine Rede beim Völkerbund, dem Vorläufer der UNO, in der sie sich dezidierte gegen den Einsatz von Giftgas aussprach.
Gertrud Woker war eine blitzgescheite und engagierte Frau, deren Lebensgeschichte eine aussergewöhnliche ist. Und doch geriet sie in Vergessenheit. Das dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass Geschichte lange Zeit von Männern über Männer für Männer geschrieben worden ist. Zum anderen war Gertrud Woker mit ihrem Starrsinn und der Hartnäckigkeit, mit der sie sich gegen Krieg aussprach, ein Dorn im Auge derjenigen, welche vom Krieg finanziell profitierten. Während die Schriften der Gertrud Woker international Beachtung fanden, wurde sie in der Schweiz als Wahnsinnige verschrien, als «Gas-Trudi» bezeichnet und im Alter von 88 Jahren in eine Nervenheilanstalt verfrachtet, wo sie 1968 sterben sollte.
Er sei vor rund vier Jahren bei der Recherche zu einem Theaterstück auf die Biografie Gertrud Wokers gestossen und erstaunt darüber gewesen, wie wenig Material es zu dieser aussergewöhnlichen Frauenbiografie gebe, sagt Fabian Chiquet. 2017 widmete der Musiker, Kunstschaffende und Regisseur Gertrud Woker eine Videoinstallation auf der Warmbächli-Brache (wir haben hier darüber berichtet). Nun hat Chiquet in Zusammenarbeit mit Matthias Affolter den Dokumentarfilm «Die Pazifistin» herausgegeben. Weil sie einen Film über eine Person gedreht hätten, über die es kein Video-Material gebe, hätten sie sich eine kreative Lösung einfallen lassen müssen, erzählt Chiquet. Entsprechend ist «Die Pazifistin» ein kaleidoskopartiges Konglomerat aus Animationen, Radioaufnahmen, Videocollagen und Interviews mit Familienangehörigen und Historikerinnen geworden. «Wie wenn man ein Mosaik zusammensetzt», beschreibt Chiquet die Arbeit am Film. Dabei ist «Die Pazifistin» ein wunderbar schillerndes Mosaik, welches das Leben einer nicht minder schillernder Frauenfigur einfängt, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.
Vorpremiere heute Dienstag im Kino Rex Bern in Anwesenheit der Regisseure Matthias Affolter und Fabian Chiquet sowie Annemarie Sancar (FriedensFrauen Weltweit)
Indigene in Argentinien
Nicht einmal 2% beträgt der Anteil indigener Menschen an der Gesamtbevölkerung Argentiniens. Kaum ein anderes südamerikanisches Land ist somit dermassen stark von der westlichen Kultur dominiert wie Argentinien.
Um 1520 herum trafen die ersten europäische Kolonialisten auf Indigene der Region. Bei der Unabhängigkeitserklärung Argentiniens von Spanien 1816 war noch die Hälfte des Landes unter Kontrolle indigener Gruppen. Die Beziehung ist geprägt von Diskriminierung, Gewalt und Enteignung.
Die ökumenische Junta Unida de Misiones (JUM) unterstützt seit mehr als 50 Jahren die Belange der indigenen Gruppen in der nordargentinischen Provinz Chaco. Eines ihrer Arbeitsfelder ist es, indigene Jugendliche bei der Kosmovision zu begleiten, also ihrer kulturell eigenen Sicht auf die Welt.
In seinem Beitrag für Radio Onda hinterfragt Tobias Mönch, was der Kolonialismus für Indigene auf dem Gebiet des heutigen Argentinien bedeutet.