Heute im RaBe-Info: Welche Herausforderungen stehen der Gesellschaft bevor punkto Demenzerkrankten? Und was bedeutet ein JA zur «Ehe für Alle» für gleichgeschlechtliche Paare?
Demenzerkrankungen und ihre gesellschaftlichen folgen
Die Zahl der Demenzkranken steige rasant, titelte die deutsche Tageszeitung TAZ letzte Woche und berief sich dabei auf eine Studie der Weltgesundheitsorganisation. 40% mehr Menschen seien es bis 2030, die von den verschiedenen Krankheiten betroffen sein werden, die unter dem Begriff Demenz fallen. Für die Schweiz würde dies bedeuten, dass rund 200’000 Menschen eine Demenzerkrankung hätten. Und obwohl seit Jahrzehnten viel geforscht wird, sind die Krankheiten noch immer irreversibel.
«Das grösste Risiko, eine Demenz zu bekommen ist das Alter und die Menschen werden immer älter», erklärt Martin Mühlegg, Chefredaktor bei der Informationsplattform alzheimer.ch, den Trend. Er betont jedoch auch, dass die Studie der WHO nicht unumstritten sei: «Eine Studie der Uni Leipzig besagt, dass die Demenzerkrankungen in westlichen Ländern rückläufig sind». Menschen lebten gesünder, treiben mehr Sport, halten sich geistig in Schwung und senkten somit das Risiko.
Knapp 12 Milliarden Franken kosten Demenzerkrankungen in der Schweiz pro Jahr. Vor allem die Betreuung sei teuer, denn Erkrankte brauchen eine enge Begleitung im Alltag durch Angehörige, Spitex etc. Mühlegg würde es deswegen begrüssen, wenn Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen stärker finanziell unterstützt werden würden. «In der Schweiz ist es so, dass die Krankenkasse nur die Pflege bezahlt, die Betreuung müssen die Betroffenen oder ihre Angehörigen selbst bezahlen.» Zudem brauche es mehr qualifizierte Pflegekräfte – «Baustellen, die wir schon jetzt angehen sollten, damit wir bereit sind für eine Zukunft, in der es vielleicht noch mehr Menschen mit Demenz gibt», so Mühlegg.
Abstimmung «Ehe für Alle»
Das Referendums-Komitee gegen die Vorlage «Ehe für Alle» fährt schwerstes Geschütz auf. Von egoistischen Homo-Adoptionen ist die Rede, von Kindern auf Bestellung und von Leihmütter-Sklavinnen. Vertreter*innen von SVP, EDU, EVP und Die Mitte schrecken mittlerweile nicht einmal mehr davor zurück, vollkommen an der Vorlage vorbeizupolitisieren, um mögliche Gegner*innen der «Ehe für Alle» zu mobilisieren. Wohl auch darum, weil die Umfragen ihnen eine deutliche Niederlage voraussagen, bei der kommenden Abstimmung vom 26. September 2021.
Für die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren ist die Vorlage «Ehe für Alle» eine der wichtigsten seit Jahrzehnten. So will sie in den Bereichen Fortpflanzungsmedizin, Adoption oder erleichterte Einbürgerung weitgehend gleiche Rechte für alle festschreiben, was neben einem Pro-Komitee aus Nicht-Regierungsorganisationen auch die Parteien FDP, Grünliberalen, SP und Grüne begrüssen.
Der gelebte Alltag scheint dem Gesetz voraus zu sein, konstatieren Denise Gämperle und Julia Lager. Seit über 10 Jahren sind sie ein Paar, seit 6 Jahren leben sie in eingetragener Partnerschaft und haben mittlerweile 3 Kinder vom selben biologischen Vater.
In ihrem Alltag seien sie kaum je mit Diskriminierungen konfrontiert, so das Paar, doch auch sie mussten aufgrund der gesetzlichen Grundlagen grosse Hürden überwinden, um sich ihren Kinderwunsch erfüllen zu können.
Übers Internet haben sie einen privaten Spender gefunden, welcher sich bereit erklärte, das Paar zu unterstützen, ohne weder Pflichten noch Rechte für die Kinder zu beanspruchen. Dies sei relativ unkompliziert verlaufen und sei es bis heute. Schwierig sei indes der langwierige und mühevolle Prozess, bis dass beide Frauen als Mütter rechtlich anerkannt sind.
Heute ist der Zugang zu Samenspenden heterosexuellen Paaren vorbehalten. Lesbische Paare müssen bei einem allfälligen Kinderwunsch entweder im rechtlichen Graubereich auf private Spender zurückgreifen oder ins Ausland ausweichen. Ein JA zur Vorlage «Ehe für Alle» würde auch ihnen den Zugang zu Samenspenden ermöglichen. Verboten blieben anonyme Samenspenden, volljährige Kinder hätten das Recht, ihren biologischen Vater kennenzulernen.
Die «Ehe für Alle» sei nicht nur für die Community, sondern für die ganze Gesellschaft ein Gewinn, betont Julia Lager. Sie verweist dabei auch auf Studien aus Ländern, welche die «Ehe für Alle» bereits eingeführt haben, welche gezeigt hätten, dass mit der «Ehe für Alle» die Suizidrate bei homosexuellen Menschen stark gesenkt werden konnte.
Es sei nun allerhöchste Zeit, auch in der Schweiz hetero- und homosexuellen Paaren die gleichen Rechte zu gewähren. (wr)
Denise Gämperle und Julia Lager im Gespräch mit RaBe: