Heute im RaBe-Info: Ultimatum an die Besetzer*innen – Wie geht’s weiter an der Worbstrasse in Muri? Hürden abbauen – Wie die Inklusions-Initiative Menschen mit Behinderungen Partizipation erleichtern kann. Jetzt wählen! – Die neue Ausstellung in der Nationalbibliothek zeigt auf, wer in unserer Gesellschaft eine Stimme hat und wem diese verwehrt bleibt
Besetzung in Muri: Ultimatum und Petition
Der Gemeinderat von Muri will keine Zwischennutzung auf der Schürmatt. An seiner Sitzung vom Montag Abend hat er beschlossen, den Besetzer*innen der Worbstrasse 104 + 108 ein Ultimatum von 48 Stunden zu stellen. Falls sie diesem nicht nachkommen, folge der Räumungsbefehl. Das Kollektiv L@s Vecin@s Amables zeigt sich nach Erhalt dieses Ultimatums sichtlich enttäuscht. Die Verhandlungen mit dem Gemeinderat seien gut verlaufen und man habe sich mehr Entgegenkommen erhofft, sagt Daniel (Name geändert) vom Kollektiv.
Der Muriger Gemeinderat begründet die Absage in erster Linie mit dem schlechtem Zustand der Gebäude. Die Häuser seien sanierungsbedürftig, Strom- und Wasseranschlüsse abgehängt. Es sei zu gefährlich dort zu wohnen, so Gemeindepräsident Thomas Hanke. Vor 2.5 Jahren seien die Häuser noch bewohnt gewesen, widerspricht das Kollektiv. Vor Ablauf des Ultimatums wollen sie deshalb ein unabhängiges Gutachten einholen.
Enttäuscht vom Entscheid des Gemeinderates zeigt sich auch die Muriger SP-Parlamentarierin Eva Schmid. Obwohl das Kollektiv illegal gehandelt habe, sei der Entscheid der Gemeinde kurzsichtig, so Schmid. Sie bedauert, dass er dem Kollektiv nicht wenigstens Zeit gelassen habe, ein Konzept für eine Zwischennutzung auszuarbeiten. Die Stadt Bern habe mehrheitlich sehr gute Erfahrungen mit Zwischennutzungen gemacht und dem steigenden Bedürfnis der Jugend nach unkommerziellen, niederschwelligen Freiräumen müsse auch die Gemeinde Muri Rechnung tragen, so Schmid.
Gemeindepräsident Hanke verweist derweil auf die politischen Mittel zur Erreichung dieser Ziele. Es gäbe die Möglichkeit eines Vorstosses im Parlament als auch einer Eingabe an den Gemeinderat. Wie viel eine solche Eingabe, sprich ein Brief an den Gemeinderat in der Praxis bewirken kann, sei dahingestellt. Das Besetzer*innenkollektiv setzt nun erst einmal auf Unterstützung seitens der Muriger Bevölkerung. Bereits gefunden habe sie die Unterstützung der Nachbarschaft, zudem haben sie eine Petition lanciert.
Die Zwischennutzung auf der Schürmatt fällt mitten in eine Phase von zwei thematisch verknüpften politischen Entscheidungen in Muri. Einerseits entscheidet das Parlament nächsten Dienstag über den Verkauf der beiden besetzten Häuser an die Burgergemeinde. Dieser Verkauf scheint insgesamt wenig umstritten. Andererseits stimmt Muri am 26. September über die Initiative für bezahlbaren Wohnraum von SP und Grünen ab. Die Besetzung fällt nun mitten in die laufende, zunehmend hitzige Debatte um Bodenpolitik, Raumnutzung und ja, der Frage: Wem gehört die Stadt?
Das Gespräch mit Daniel (Name geändert) vom Kollektiv am Morgen nach der Besetzung (Montag, 13. September):
Inklusions-Initiative stellt sich vor
Eigentlich müsste die Schweiz schon viel weiter sein: Im April 2014 hat sie die UNO-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, sich für eine inklusive Gesellschaft einzusetzen. Sie müsste Menschen mit einer Behinderung vor Benachteiligung und Diskriminierung schützen und ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben gewähren.
Noch sei die Schweiz ihrer Verpflichtung aber zu wenig nachgekommen, so die Menschen hinter der Inklusions-Initiative, welche heute im Rahmen eines Aktionstags auf dem Berner Bundesplatz vorgestellt wird.
Bei einem Ja zur Volksinitiative sollen Menschen mit Behinderungen vollumfänglich Assistenzleistungen erhalten, womit sie sich selbstbestimmter in Bildung, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einbringen könnten. Personelle Unterstützungen oder technische Hilfsmittel, die helfen, das Leben zu gestalten, sollen künftig lückenlos finanziert werden.
Ein Erfolg der Initiative würde auch die Mitsprache von Menschen mit einer Behinderung fördern, erklärt Luana Schena, Vorstandsmitglied vom Verein Tatkraft und einer der Köpfe hinter der Inklusions-Initiative: «Die Assistenz hilft uns, uns am politischen Leben zu beteiligen, zum Beispiel an Veranstaltungen teilzunehmen». Noch seien Menschen mit einer Behinderung in den Parteien, Parlamenten und Regierungen untervertreten. «Somit liegt es auf der Hand, dass wir bei Entscheidungen gar nicht mitgedacht werden», so Schena im Interview mit RaBe.
Ausstellung in der Nationalbibliothek
Jetzt wählen! Über das Recht auf eine Stimme – so lautet der Titel der aktuellen Ausstellung in der Schweizerischen Nationalbibliothek im Kirchenfeldquartier. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer in der politischen Schweiz eine Stimme hat und wem sie immer noch verwehrt bleibt. «In der Schweiz lebt über ein Viertel der Menschen ohne Stimm- und Wahlrecht und zum Anlass von 50 Jahren Frauenstimmrecht schien es uns angebracht, auch einmal nach diesen Menschen zu fragen», sagt Ausstellungskurator Hannes Mangold.
Wie hat sich dieses Recht in der Vergangenheit verändert? Und wo stehen wir heute? «Jetzt wählen!» nimmt Besucher*innen mit auf eine Reise durch die Jahrzehnte, begleitet von den Stimmen von drei Frauen, die sich allen Widerständen zum Trotz Gehör verschaffen konnten: Mariella Mehr, eine Angehörige der Jenischen, die, von der Aktion «Kinder der Landstrasse» betroffen, ihren Eltern weggenommen wurde. Alice Ceresa, Journalistin und Übersetzerin, die sich zeitlebens für die Rechte von (migrantischen) Frauen einsetzte und Doris Stauffer, die mit ihren künstlerischen Interventionen ebenfalls den Kampf der Frauen ins Zentrum rückte.
Zudem hat das international renommierte Künstlerinnen-Duo Gawęda Kulbokaitė eine Videoarbeit beigesteuert, die eine Brücke von den historischen Positionen in die Gegenwart schlagen soll.
«Jetzt wählen!» – noch bis am 14. Januar. Montag bis Freitag von 9.00 – 18.00. Eintritt frei.